Mattis’ Rücktritt in USA Ende eines Missverständnisses

Washington · In den USA wirft mit James Mattis der letzte General aus der „Achse der Erwachsenen“ das Handtuch. Sein Rücktritt macht deutlich, wie tief der Graben zu Präsident Donald Trump ist.

 Ab Februar gehen sie getrennte Wege: Noch-Verteidigungsminister James Mattis (rechts) und US-Präsident Donald Trump.

Ab Februar gehen sie getrennte Wege: Noch-Verteidigungsminister James Mattis (rechts) und US-Präsident Donald Trump.

Foto: dpa/Pool

Es gab Zeiten, da konnte Donald Trump gar nicht laut genug schwärmen von seinem Lieblingsgeneral. Der Präsident, der einst mit der Reality-Show „The Apprentice“ ein Millionenpublikum erreichte, wählt seine Minister bekanntlich auch danach aus, ob sie optisch passen zu der Rolle, die sie in seinem Kabinett spielen sollen. James Mattis, ein Militär mit den Gesichtszügen eines Asketen, passte perfekt. „Wenn ich mal einen Film drehe, nehme ich Sie, General Mattis“, versicherte Trump. Und dazu der Spitzname. Mad Dog, Verrückter Hund. Mad Dog, rief der Wahlsieger seinen Anhängern anfangs auf Kundgebungen zu, stehe für ein Amerika, mit dem sich bloß niemand anlegen sollte.

Manches entpuppte sich schon bald als Irrtum, und mit seinem Rücktritt als Verteidigungsminister machte Mattis klar, was für ein tiefer Graben ihn von Trump trennte. Statt beim Abschied artig zu danken und sonst nichts zu sagen, wie es andere vor ihm getan hatten, schrieb er einen Brief voller Substanz. Der liest sich stellenweise wie eine Generalabrechnung mit dem „America first“ eines Vorgesetzten, der am Sinn der Nato zweifelt, der Verbündete wie Angela Merkel oder Justin Trudeau auf offener Bühne brüskiert, während er Sympathien für Männer wie Wladimir Putin, Xi Jinping oder Kim Jong Un erkennen lässt.

Eine seiner Grundüberzeugungen, schrieb Mattis, sei, dass die Stärke der USA untrennbar verbunden sei mit ihrem „umfassenden System von Allianzen und Partnerschaften“. Ohne enge Bündnisse, ohne Respekt für die Alliierten könne das Land seine Interessen nicht wahren. Zugleich dürfe es keine Zweideutigkeiten zulassen im Umgang mit autoritären Regimen wie in China und Russland. Trump, schrieb Mattis, habe das Recht auf einen Verteidigungsminister, dessen Ansichten besser zu seinen eigenen passten. „Daher glaube ich, dass es richtig ist, meinen Posten zu räumen.“

Immer öfter stand Mattis zuletzt auf verlorenem Posten. Erst vor wenigen Tagen ignorierte der Präsident einen Personalvorschlag seines Verteidigungsministers, was sein gutes Recht ist, gleichwohl aber gegen ungeschriebene Gesetze verstößt. Statt Mattis’ Favoriten, den Luftwaffenchef David Goldfein, zum neuen Stabschef der Streitkräfte zu ernennen, entschied er sich für den Armeegeneral Mark Milley. Schließlich waren es die Debatten über Syrien und Afghanistan, über Bleiben oder Abziehen, die das Fass zum Überlaufen brachten. Von einem Rückzug aus dem Nordosten Syriens riet Mattis ebenso energisch ab wie von Trumps jüngstem Plan, 7000 am Hindukusch stationierte US-Soldaten, die Hälfte des Kontingents, nach Hause zu beordern. In beiden Fällen zog er den Kürzeren, und am Donnerstagabend, als er seinen Abgang begründete, versuchte er gar nicht erst, Differenzen zu übertünchen.

Wenn man so will, ist es das Ende eines zweijährigen Missverständnisses. Angefangen beim Spitznamen. Das mit dem verrückten Hund hat Mattis nie gefallen, offenbar geht es zurück auf Aphorismen aus seiner vierzigjährigen Karriere in Uniform. „Sei höflich, sei professionell, aber mach dich darauf gefasst, dass du jeden töten musst, dem du begegnest“, lautet einer dieser Sprüche. Nur war Mattis nie ein Draufgänger. Treffender ist ein zweiter Spitzname, Warrior Monk, der Kriegermönch. Ein Leben lang blieb er solo, verheiratet mit der Marineinfanterie. In seiner Privatbibliothek stehen fast siebentausend Bücher.

Das konnte auf Dauer nicht gutgehen: Hier der Gelehrte der Strategie, dort ein Präsident, der keine Bücher liest, aber alles besser zu wissen glaubt. Hier ein vorsichtiger Soldat, der weiß, was Kriege bedeuten, weil er in dreien gekämpft hatte, 1991 in Kuweit, später in Afghanistan und im Irak. Dort ein Sandkastenstratege, der sich eine Fußerkrankung attestieren ließ, um nicht nach Vietnam zu müssen.

Mattis ignorierte bisweilen die Anweisungen aus dem Weißen Haus. Der Reporter Bob Woodward hat in seinem Enthüllungsband „Fear“ geschildert, was sich hinter den Kulissen abspielte. Etwa im April 2017, als Mattis am Telefon den Auftrag erhielt, ein Mordkomplott gegen Syriens Diktator Baschar al-Assad zu schmieden. „Lasst ihn uns verdammt noch mal töten“, verlangt Trump, nachdem Assads Regime abermals Chemiewaffen eingesetzt hatte. Mattis habe nicht widersprochen, einem Vertrauten hinterher jedoch gesagt, dass man nichts dergleichen tun werde.

Wenn Mattis im Februar als Minister für Verteidigung ausscheidet, wird auch eine Illusion gestorben sein. Die Illusion, dass eine Riege erfahrener Generäle Trump schon beibringen würde, dass Wahlkampfparolen das eine sind und praktische Politik etwas anderes.

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