Proteste Macron muss „Gelbwesten“ besänftigen

Paris · Nach dem vierten Protestwochenende erwarten die Franzosen mit Spannung eine Ansprache ihres Präsidenten.

 Inzwischen ein vertrautes Bild in Paris: Auch an diesem Wochenende standen Demonstranten in gelben Westen vor dem Triumphbogen.

Inzwischen ein vertrautes Bild in Paris: Auch an diesem Wochenende standen Demonstranten in gelben Westen vor dem Triumphbogen.

Foto: dpa/Elyxandro Cegarra

Einer Geisterstadt glich Paris am Samstag. Museen, Kaufhäuser und der Eiffelturm blieben geschlossen, die meisten Einwohner wagten sich nicht aus dem Haus. Akt IV der Proteste der „Gelbwesten“ war angekündigt, und die Polizei war mit 8000 Mann und erstmals auch mit gepanzerten Fahrzeugen im Einsatz. Das Großaufgebot der Sicherheitskräfte verhinderte Bilder wie am vergangenen Wochenende, als gewalttätige Demonstranten den Triumphbogen verwüstet hatten, doch der Preis war hoch: Mehr als 1000 Menschen, die mit Hämmern, Baseballschlägern und Boule-Kugeln ausgestattet waren, wurden festgenommen.

Landesweit wurden nach Angaben des Innenministeriums am Wochenende sogar mehr als 1700 Menschen festgenommen. 1220 kamen in Gewahrsam – das heißt, sie können bis zu 24 Stunden festgehalten werden, etwa weil sie im Verdacht stehen, eine Straftat begehen zu wollen. Mehr als 250 Menschen wurden den Angaben zufolge verletzt, darunter rund drei Dutzend Sicherheitskräfte. Auch in anderen Städten wie Bordeaux und Toulouse eskalierte die Gewalt.

In der Hauptstadt waren die Demonstranten zahlreicher als noch am vergangenen Wochenende. 10 000 Menschen in gelben Westen versammelten sich auf den Champ-Elysées, dem Platz der Republik und an der Bastille. Die Gewalttäter unter ihnen zerstörten Banken, Restaurants und Läden, deren Fenster nicht mit Sperrholzplatten zugenagelt waren. Laut der Pariser Stadtverwaltung war der Schaden höher als am vergangenen Wochenende.

Und der Protest, der landesweit 136 000 Menschen auf die Straße brachte, dürfte weiter gehen: Die Demonstranten denken bereits über Akt V am nächsten Samstag nach. Um einen Dialog mit den gemäßigten „Gilets jaunes“ zu beginnen, empfing Regierungschef Edouard Philippe am Freitagabend eine Delegation. „Der Ball ist im Feld von Macron“, sagte Christophe Chalençon, einer der Sprecher, hinterher. Der Präsident soll Anfang der Woche zum ersten Mal seit Beginn der Krise vor drei Wochen das Wort ergreifen. Dass er das so spät tut, begründete sein Vertrauter Richard Ferrand damit, dass Macron nicht noch „Öl ins Feuer“ gießen wolle.

Der Hass der „Gelbwesten“, die von rund 70 Prozent der Bevölkerung unterstützt werden, richtet sich nämlich in erster Linie gegen den Staatschef. „Analphabeten, Nichtsnutze, widerspenstige Gallier in Wut“, stand auf einem Transparent der Demonstranten. Drei Begriffe, die der Präsident abwertend für Arbeiter und all jene benutzt hatte, die seine Reformpolitik kritisierten. Diese Sprüche brachten ihm ebenso wie die Abschaffung der Vermögenssteuer den Ruf ein, ein „Präsident der Reichen“ zu sein. Das Gefühl der Ungleichheit verstärkte sich unter Macron, wie eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ifop zeigt. Darin fordern 46 Prozent der Befragten, dass die Gehaltsschere zwischen Arm und Reich kleiner wird. Ein Plus von 13 Prozent gegenüber dem Juni 2017, kurz nach Macrons Amtsantritt.

Dem Präsidenten ist klar, dass er in seiner Ansprache Maßnahmen zugunsten der sozial Schwachen verkünden muss, um die Wut der Straße zu besänftigen. Im Gespräch sind eine Anhebung des Mindestlohns und eine sofortige Abschaffung der Wohnungssteuer, die eigentlich über drei Jahre hinweg gestaffelt werden sollte. Daneben gehört eine steuerfreie Prämie für Geringverdiener ebenso zu den Optionen wie die Erhöhung der Beihilfen für bedürftige Rentner. Heute will Macron die Sozialpartner empfangen, um mit ihnen die Liste der Ankündigungen durchzugehen. Ausgeschlossen hat er bisher eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer, obwohl genau dies die meisten Demonstranten verlangen.

„Die Zeit ist gekommen, starke Maßnahmen anzukündigen“, forderte Außenminister Jean-Yves Le Drian. Es müsse einen neuen Sozialpakt geben, der den Wohlfahrtsstaat des 21. Jahrhunderts vorbereite. „Man reformiert das Land nicht nur von oben herab“, kritisierte der ehemalige Sozialist im Fernsehsender LCI den Führungsstil des Präsidenten. Egal, was Macron ankündigt, eines ist klar: Seine Versprechen werden viel Geld kosten. Von mindestens zehn Milliarden Euro geht der Arbeitgeberverband Medef aus.

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