Daten-Analyse Integrations-Defizit an Zweibrücker Schulen

Zweibrücken · In Rheinland-Pfalz ist der Prozent-Anteil von Abiturienten mit Migrationshintergrund zweieinhalb Mal so groß wie in Zweibrücken. Das Problem beginnt schon früh: In Zweibrücken wechseln wesentlich weniger Grundschüler als im Landesschnitt aufs Gymnasium. Das zeigen Daten des Statistischen Landesamts.

 Der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund in den Zweibrücker Schulen ist sehr unterschiedlich.

Der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund in den Zweibrücker Schulen ist sehr unterschiedlich.

Foto: picture alliance / dpa/Armin Weigel

Schüler mit Migrationshintergrund, die in Rheinland-Pfalz Abitur machen wollen, haben es schwerer, wenn sie in Zweibrücken leben.

Das kann man schon ahnen, wenn man die Listen der Abiturienten-Namen von Hofenfels- und Helmholtz-Gymnasium liest, in denen beim Abi-Jahrgang 2018 klassische deutsche Namen wie Marc, Christian, Sophie-Anna, Sebastian, Florian, Laura Sophie, Lars, Hannah-Christin, Felix Jonas, Emma oder Phillipp dominieren, während Ayse oder Mohammed Mangelware sind.

Dieser Eindruck könnte theoretisch zwar täuschen – denn nicht immer sind Namen Indiz für persönlichen ethnischen Hintergrund. Doch tatsächlich hinkt Zweibrücken dem Landes-Trend hinterher. Das belegen neue Zahlen des Statistischen Landesamts, die der Pfälzische Merkur jetzt ausgewertet hat.

Statistisch betrachtet wäre eigentlich zu erwarten, dass Kinder mit Migrationshintergrund in Zweibrücken die gleichen, ja sogar etwas bessere Chancen haben, Abitur zu machen, wie ihre rein deutschen Altersgenossen. Denn laut den Ergebnissen der letzten Mikrozensus-Haushaltsbefragungen hatten im Jahr 2017 in Deutschland 20,8 Prozent der rein Deutschen das Abitur, aber sogar 21,1 Prozent der Menschen mit Migrationshintergrund (siehe Definition in Infobox).

Doch in Zweibrücken gibt es diesbezüglich offensichtlich erhebliche Integrationsprobleme. Denn nur ein Bruchteil der Kinder mit Migrationshintergrund gelangt überhaupt auf eines der beiden Zweibrücker Gymnasien.

Laut den vom Merkur beim Statistischen Landesamt angefragten Zahlen haben im laufenden Schuljahr 2018/19 in den Zweibrücker Grundschulen 39,2 Prozent der Kinder Migrationshintergrund – in den Gymnasien lag der Anteil dagegen lediglich bei 3,0 Prozent. Dieser gewaltige Unterschied ist bei Weitem nicht nur durch die Flüchtlingskinder zu erklären, die seit 2015 in großer Zahl vor allem aus Syrien gekommen sind – denn die Flüchtlinge wurden ja quer durchs Land verteilt. Und in ganz Rheinland-Pfalz ist das Missverhältnis zwischen Grundschulen und Gymnasien wesentlich schwächer ausgeprägt als in Zweibrücken: Landesweit beträgt der Migrationshintergrund-Anteil in den Grundschulen 29,0 Prozent, der Unterschied zu den Gymnasien mit 10,7 Prozent ist viel, viel kleiner als in Zweibrücken.

Im letzten Abi-Jahrgang 2018 war der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund in Rheinland-Pfalz mehr als zweieinhalb Mal so groß wie in Zweibrücken: Aus den Zahlen des Statistischen Landesamts lässt sich errechnen, dass landesweit 6,3 Prozent der mit allgemeiner Hochschulreife entlassenen Schüler Migrationshintergrund hatten – in Zweibrücken waren es lediglich 2,4 Prozent (fünf von 207 Abiturienten).

Zehn Jahre zuvor hatte laut Landesamt nur einer von 209 Zweibrücker Abiturienten Migrationshintergrund, das entspricht 0,5 Prozent. In Rheinland-Pfalz lag der Anteil damals bei 6,3 Prozent.

Ersichtlich wird das dennoch weiterhin ausgeprägte Zweibrücker Integrationsproblem auch, wenn man die neuesten Zahlen der rheinland-pfälzischen Gymnasien vergleicht. Hier liegen derzeit nur die Daten für das Schuljahr 2017/18 komplett vor. Unter den zwölf kreisfreien Städten ist Zweibrücken mit einem Migrationshintergrund-Anteil von 3,2 Prozent nicht nur Schlusslicht – sondern auch noch mit weitem Abstand: Im auf dem vorletzten Platz liegenden Landau ist der Anteil mit 6,2 Prozent fast doppelt so hoch wie in Zweibrücken. Immerhin bleibt Zweibrücken erspart, für ganz Rheinland-Pfalz die rote Laterne tragen zu müssen: Einer der 24 Landkreise, Kusel, liegt mit 2,7 Prozent noch knapp hinter der Rosenstadt.

Auf Merkur-Anfrage hat das Statistische Landesamt noch weitere für Zweibrücken aussagekräftige Vergleichszahlen zusammengestellt, die über die Daten im erst im Dezember veröffentlichten „Statistischen Jahrbuch 2018“ und Städte/Landkreise-Vergleich hinausgehen.

Wesentliches Ergebnis der Auswertung dieser Zahlen durch den Merkur: Kinder mit Migrationshintergrund werden in Zweibrücken nicht erst auf den Gymnasien auf dem Weg zum Abitur gestoppt. Sie kommen – in viel größeren Zahlen als im Landesschnitt – gar nicht erst von der Grundschule aufs Gymnasium. So wechselten zu Beginn des laufenden Schuljahrs 2018/19 in Rheinland-Pfalz 29,0 Prozent der Kinder mit Migrationshintergrund in Gymnasien. In Zweibrücken waren das nur 11,1 Prozent, also weit weniger als die Hälfte. Allerdings sind diese Zahlen nicht direkt vergleichbar, denn die Gymnasial-Laufbahn kann in Rheinland-Pfalz auch mit dem Besuch einer schulartübergreifenden gemeinsamen Orientierungsstufe (in Zweibrücken zwischen Hofenfels-Gymnasium und Mannlich-Realschule plus) beginnen oder mit dem Besuch einer Integrierten Gesamtschule (in Zweibrücken nicht vorhanden). In eine Orientierungsstufe wechselten in Rheinland-Pfalz 3,5 Prozent der Migrations-Kinder, in Zweibrücken 22,2 Prozent. In eine Gesamtschule wechselten in Rheinland-Pfalz 18,3 Prozent, in Zweibrücken 0 Prozent der Migrationshintergrund-Kinder.

Die Kopfzahlen in den einzelnen Schularten sehen bei den Fünftklässlern mit Migrationshintergrund in den Zweibrücker Schulen laut Statistischem Landesamt derzeit so aus: Gymnasium lediglich zwei von insgesamt dort 135 Schülern, gemeinsame Orientierungsstufe vier von 170 Schülern, Realschule plus dagegen zwölf von insgesamt 49 Schülern.

Dass der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund in Zweibrücken sehr unterschiedlich auf die Schulen verteilt ist, zeigt auch der Vergleich sämtlicher Schüler an den einzelnen Schulen: Im laufenden Schuljahr liegt der Migrationshintergrund-Anteil am Hofenfels-Gymnasium nur bei 1,8 Prozent, am Helmholtz-Gymnasium bei 4,1 Prozent, an der Mannlich-Realschule plus bei 5,9 Prozent und an der Herzog-Wolfgang-Realschule plus bei 23,8 Prozent.

Vor zehn Jahren lag der Anteil an den Gymnasien bei 1,3 Prozent (Hofenfels) und 0,9 Prozent (Helmholtz). Damals existierten statt der HWR plus noch drei Hauptschulen, deren Migrations-Anteil zusammen bei 17,8 Prozent lag. Der Anteil in der damaligen Mannlich-Realschule lag bei 4,0 Prozent. (Die heutigen Realschulen plus führen auch zu einem den früheren Hauptschulen entsprechendem Berufsreife-Abschluss.)

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