„Vom Onlinekuchen mitessen“

Zweibrücken · Wie können sich Einzelhändler in Städten auf die wachsende Konkurrenz des Online-Handels reagieren? Darüber referierte der Betriebswirtschafts-Professor Gerrit Heinemann vor über 100 regionalen Unternehmern.

Nur mit einem Online-Shop und ausreichenden Produktinformationen im Internet hat der stationäre Einzelhandel eine Überlebens-Chance. Davon ist Professor Gerrit Heinemann überzeugt, Handels-Experte von der Hochschule Niederrhein . Die gute Nachricht: Anerkennt der stationäre Handel - endlich - die Kundenwünsche diesbezüglich, vernetzt er sich und handelt danach, bleiben ihm viele Kunden treu.

Eine gute Stunde lang referierte Heinemann vor mehr als 100 Unternehmern aus Handel und Handwerk am Dienstagabend auf Einladung der Wirtschaftsförderungen Südwestpfalz und Zweibrücken sowie der Style Outlets darüber, wie sich stationäre Händler angesichts der Online-Konkurrenz behaupten können.

Ursache für den Wandel vom Einkauf im Laden zum Onlineshopping seien Vorteile für die Kunden: Zu jeder beliebigen Tages- und Nachtzeit könnten diese sich informieren, auf Knopfdruck Produkte und Preise vergleichen und bei Gefallen auch gleich bestellen. Die Ware werde nach Hause geliefert, eine enorme Zeit-Ersparnis. Auch das Thema Service und Erlebniskauf habe diese Entwicklung seit 20 Jahren nicht aufhalten können, da Kunden nicht zwischen Bedarfs- und Lustkäufen unterschieden. Dennoch sei rund die Hälfte aller Kunden, die online recherchieren, bereit, im Geschäft einzukaufen. Voraussetzung: Sie wollen ihren Kauf bereits online vorbereiten und die Verfügbarkeit abfragen, um sich einen unnötigen Weg zu ersparen. Wichtig seien auch Produktbewertungen. Kunden hätten ihr Smartphone immer dabei, wollten in jedem Geschäft online sein, das heißt, W-Lan vorfinden. Heinemann; "Ein Geschäft zur handyfreien Zone zu erklärten, kommt einem Hausverbot gleich."

Bislang gebe es im gesamten deutschen Handel auf Marktbeherrscher Amazon keine Antwort. Lediglich 30 Prozent der Händler in Deutschland seien überhaupt online, nur die Hälfte von ihnen Smartphone-optimiert. Während die acht deutschen Metropolen dennoch Wachstumschanchen hätten und die 158 Großstädte ihren heutigen Umsatz immerhin halten könnten, sehe es für kleinere Städte mau aus. "Je kleiner die Stadt, desto größer das Problem!" Statt immer größerer Fußgängerzonen, müssten die Innenstädte Parkplätze und Zuwege schaffen sowie unbedingt W-Lan überall aufrüsten, Reglementierungen aufheben und Fachmärkte von der grünen Wiese in Leerstände der City umsiedeln. "Der Einzelhandel muss sich neu erfinden!" nannte der Experte sein Herzthema. Lokale Händlerkooperationen mit einem Heim-Lieferservice beispielsweise. "Ich würde den Anzug ausliefern und gleich schauen, ob er passt", schlug der ehemalige Leiter eines großen Kaufhauses vor. Außerdem die Ausweisung der Stadt als Einkaufszentrum mit einem eigenen Centermanagement, das einen attraktiven Branchenmix ebenso betreue wie das gemeinsame Marketing, beispielsweise in Kooperation mit Onlineplätzen wie Ebay. Vor Amazon als Partner warnte Heinemann explizit, wegen des Umgangs mit Kundendaten. Mönchengladbacher Händler , die auch bei Ebay tätig sind, hätten im ersten Jahr acht Prozent mehr Umsatz gehabt. Das sei eingeschlagen wie eine Bombe, und ganz ohne Preisverlust. Die Händler hätten bedauert, den Schritt so spät unternommen zu haben, da es viel einfacher und erfolgreicher war, als gedacht. "Wir müssen vom Onlinekuchen mitessen!", forderte Heinemann die Veranstaltungsteilnehmer auf. Dabei sieht Heinemann noch Chancen: "Die Kunden kaufen hybrid. Sie wollen beides, online UND stationär."

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