Tabak und Alkohol statt Pausenbrote

Zweibrücken. Es ist ein vernichtendes Urteil, das die Vereinten Nationen (UN) der Bundesrepublik Deutschland ausstellen. Viele Kinder würden hierzulande in armen Verhältnissen aufwachsen, jedes vierte Kind gehe ohne Pausenbrot zur Schule. Harsche Worte. Übertriebene Worte? Der Pfälzische Merkur fragte bei Franziska Linse nach

Zweibrücken. Es ist ein vernichtendes Urteil, das die Vereinten Nationen (UN) der Bundesrepublik Deutschland ausstellen. Viele Kinder würden hierzulande in armen Verhältnissen aufwachsen, jedes vierte Kind gehe ohne Pausenbrot zur Schule.Harsche Worte. Übertriebene Worte? Der Pfälzische Merkur fragte bei Franziska Linse nach. Linse ist Vorstandsmitglied beim Kinderschutzbund in Zweibrücken und hat jeden Tag mit bedürftigen Kindern (und Eltern) zu tun. Linse pflichtet den Vereinten Nationen bei - zumindest was die Verhältnisse in Zweibrücken anbelangen.

"Es gibt viele Kinder hier in der Stadt, die morgens ohne Pausenbrot zur Schule gehen müssen." Das erfahre sie immer wieder. Doch sei nicht alleine in der Armut der Eltern die Ursache dafür zu sehen. Linse redet Klartext: "Es gibt etliche Eltern, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, aber das Geld lieber in Alkohol und Tabak stecken, statt in Pausenbrote für ihre Kinder", ärgert sie sich.

Auch beobachte sie, dass einige der Erziehungsberechtigten "mit zwei Handys in der Tasche herumlaufen, aber ihre Kinder vernachlässigen. Es wäre ein Segen, wenn das Kindergeld, dass sie erhalten, wirklich den Kindern zugute kommt", merkt die ehrenamtlich engagierte Linse an. Einige Eltern seien auch äußerst bequem. Linse: "Wir haben ein Zeltlager für Kinder in Wallhalben bei dem Verein Waldläufer aufgeschlagen. Zehn Mädchen haben mitgemacht. Aber nur vier Buben - obwohl wir sogar einen Transfer von Zweibrücken nach Wallhalben angeboten haben. Aber es war einigen Eltern leider bereits zu viel Arbeit, ihre Kinder zum Kinderschutzbund zu bringen, von wo aus der Transfer startete."

Fusel und Tabak statt Pausenbrote, dazu ein großes Maß an Bequemlichkeit bei den Eltern - keine guten Voraussetzungen für so manches Kind in der Stadt. Damit die Kinder wenigstens nicht mit leerem Magen die Schulbank drücken müssen, legen sich Linse und ihre 40 bis 50 ebenfalls ehrenamtlichen Helfer ins Zeug.

"Wir versorgen jeden Tag die Kinder in der Canada-Schule um neun Uhr mit einem Frühstück, wir bringen ihnen gesunde Sachen wie Obst und Joghurt. Ferner bekommt die Canada-Schule jeden Monat 200 Euro; mit diesem Geld können die Mädchen und Jungen in der schuleigenen Küche Lebensmittel zubereiten", erklärt sie. Auch die Hauptschule Mittel versorgen die Ehrenamtlichen: Dort bringe man einmal in der Woche Frühstück, hier gebe es monatlich 100 Euro Zuschuss für Lebensmittel.

Die Mittel für diese Maßnahmen erwirtschafte der Kinderschutzbund unter anderem mit Erlösen aus dem Kleiderstübchen. In der Bleicherstraße verkaufen die Ehrenamtler gespendete Kleider für geringe Beträge an Interessenten.

Dem Kinderschutzbund gehe die Arbeit nicht aus, unterstreicht Linse. Daher appelliert sie auch an weitere Bürger, sich in ihrem Verein zu engagieren. "Wir bräuchten noch Helfer, vor allem solche, die einen Führerschein haben", sagt sie.

"Es gibt viele Kinder, die morgens ohne Pausenbrot zur Schule gehen müssen."

Franziska Linse

Hintergrund

Der UN-Sozialausschuss untersucht jeweils im Abstand von einigen Jahren die Umsetzung des internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966 durch die Vertragsstaaten. Dazu gehört auch Deutschland. Die UN-Experten fordern die Bundesregierung in ihrem kürzlich vorgelegten Sozialbericht auf, gegen die Armut in Deutschland entschiedener als bisher vorzugehen. Etwa 13 Prozent der Einwohner der Bundesrepublik lebten unter der Armutsgrenze, darunter viele Kinder, kritisieren sie. Allerdings liefert der UN-Ausschuss keine Definition der Armutsgrenze. epd

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