Atemlos durch die Nacht?

Zweibrücken · Die Zweibrücker Krankenhäuser weisen für sich allgemeine Anschuldigungen von Verdi zurück, wonach viele Krankenhäuser in Deutschland zu wenige Nachtschwestern und –pfleger beschäftigen. Thomas Frank, Pflegedirektor des Nardini-Klinikums, bemängelt auch, dass die Erhebung jetzt durchgeführt worden sei, wo viele Krankenhäuser mit Grippe und Norovirus zu kämpfen hätten.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi trifft ins Schwarze mit ihrer Feststellung, dass im Schnitt nachts eine Fachkraft in deutschen Krankenhäusern 25 Patienten betreut. Thomas Frank, Pflegedirektor am Nardini-Klinikum Zweibrücken spricht sogar von 25 bis 30: "Das ist im Nachtdienst die reguläre Besetzung." Auf jeder Etage habe sein Haus zwei Nachtwachen. Auch gebe es zwei pflegerische Bereitschaftsdienste für OP und Anästhesie. Diese hätten Ruhezeit, können also schlafen, um dann im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen. "Wenn etwas wäre, kommen die und helfen mit", schildert Frank. Auf der Intensivstation gebe es außerdem drei Nachtwachen, "dies entspricht einer regulären Besetzung." In der Zentralambulanz werde künftig auch mit zwei Nachtwachen gearbeitet. Frank: "Hier reagieren wir auf das erhöhte Patientenaufkommen. Dieser Zusatznachtdienst gibt im Bedarfsfall auch Hilfestellung auf Stationen. Somit sind wir im Nachtdienst personell gut aufgestellt." Das sieht Verdi ganz anders und auch Teile der Mitarbeiterschaft. Vergangene Woche hatten rund 50 Schwestern und Pfleger des Klinikums mit einer "aktiven Mittagpause" gegen den Personalmangel demonstriert (wir berichteten).

Zuvor hatte Verdi eine bundesweite Stichprobe in mehr als 230 öffentlichen, kirchlichen und privaten Kliniken erhoben (wir berichteten). Ergebnis: Die Nachtdienste seien teils massiv unterbesetzt - eine Gefahr für Patienten und Beschäftigte. In Zweibrücken erinnert man sich in solchem Kontext an den Aufsehen regenden Fall eines 41-Jährigen, der 2007 im Katholischen Krankenhaus nachts nach erfolgreicher Herzkatheter-Operation in der Nacht an zu spät behandelten Blutungen gestorben war. Die junge Assistenzärztin musste damals über 130 Betten betreuen, der Patient lag auf dem Flur.

Thomas Frank vom Nardini-Klinikum kritisiert den Zeitpunkt der Verdi-Erhebung. Der Personalbedarf errechne sich aufgrund der durchschnittlichen Arbeitsbelastung und Auslastung, die Stichprobe erfasse nur eine kurzfristige Extremsituation. "Derzeit sind alle Krankenhäuser stark belegt mit Grippe- und Norovirus-Patienten." Im vergangenen Jahr habe man 40 Fälle verbucht, dieses Jahr bereits 120, so Frank, der ergänzt: "Wir selbst haben sehr viele Ausfälle bei den Mitarbeitern und halten den Klinikbetrieb doch aufrecht, weil sich viele über das normale Maß hinaus engagieren." Das Nardini-Klinikum verbuche aber auch grundsätzlich mehr Patienten , seit Dr. Peter Schiedermaier (zum 1. Januar) und Dr. Matthias Stopp (zum 1. Februar) vom Evangelischen Krankenhaus gewechselt waren. "Es hat sich spürbar etwas geändert", erklärt Frank, wer davon als Stammpatient der beiden neu ans Krankenhaus gewechselt sei, habe man noch nicht ausgewertet.

Beim Evangelischen Krankenhaus Zweibrücken ist die Grippewelle übrigens schon überstanden. Ende Februar allerdings seien mehr Ärzte und Pfleger erkrankt gewesen, schildert Susanne Liebold, die Pressesprecherin des Klinik-Betreibers, des Landesvereins für Innere Mission Pfalz (LVIM). Aktuell behandele man stationär nur zwei Grippepatienten , seit Jahresbeginn seien es 40 gewesen.

Die Verdi-Kritik an der Personalausstattung vieler Krankenhäuser lässt Liebold für den Zweibrücker Standort nicht gelten. Man gewährleiste nachts eine "sehr gute pflegerische Versorgung unserer Patienten ". Die Zahl der Pflegekräfte im Nachtdienst entspreche der an Kliniken üblichen Besetzung, teilt sie mit. Liebold: "Unsere Entbindungsstation mit 16 Betten ist nachts in der Regel mit einer Pflegefachkraft besetzt. Bei Bedarf, etwa wenn wir besonders viele Neugeborene auf der Station haben, setzen wir zusätzlich eine zweite Pflegefachkraft ein." Auf der Intensivstation seien im Nachtdienst zwei Pflegekräfte für höchstens neun Patienten im Dienst. Drei Kräfte setze man etwa bei starker Belegung mit besonders betreuungsintensiven Patienten wie Beatmungspatienten ein. Bei einer Spitzenbelegung oder besonders hohem Pflegeaufwand, etwa bei Demenzkranken, würden die Pflegeteams aller Abteilungen nach Bedarf etwa durch Springer verstärkt. Möglich werde dies durch das bewährte Modell der Kurzliegerstation. "Auf einer Station des Krankenhauses läuft der Regelbetrieb freitagmittags aus. Die Pflegefachkraft im Nachtdienst ist dann von Freitag bis Montagmorgen als Springer für die restlichen Stationen abrufbar", schildert Liebold.

Grundsätzlich sei in den vergangenen 20 Jahren die Anzahl der pro Pflegekraft zu versorgenden Patienten deutlich zurückgegangen. Betreute 1991 eine Vollzeitkraft täglich 9,2 Patienten , seien es 2011 6,1 Patienten gewesen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort