Thüringer SPD zerfleischt sich

Erfurt. Die Stimmung ist vergiftet in der Thüringer SPD. "Verräter" und "Demagoge" - mit solchen Schimpfworten fallen die Genossen nicht etwa über den politischen Gegner her, sondern zielen aufeinander. Die Entscheidung, nach wochenlanger Sondierung nicht mit Linken und Grünen sondern mit der CDU über eine Koalition zu verhandeln, hat die Partei tief gespalten

Erfurt. Die Stimmung ist vergiftet in der Thüringer SPD. "Verräter" und "Demagoge" - mit solchen Schimpfworten fallen die Genossen nicht etwa über den politischen Gegner her, sondern zielen aufeinander. Die Entscheidung, nach wochenlanger Sondierung nicht mit Linken und Grünen sondern mit der CDU über eine Koalition zu verhandeln, hat die Partei tief gespalten. Bei einer Versammlung am Samstag in Erfurt tritt der Streit offen zutage. Landesparteichef Christoph Matschie gibt sich trotz aller Angriffe siegessicher. Eingeladen haben die Matschie-Kritiker um den jungen Erfurter Oberbürgermeister Andreas Bausewein (36). Sie suchen von Beginn an die Konfrontation. Die Zusage an Matschie, die Debatte intern zu führen, wird gezielt untergraben. Der Andrang von rund 300 Menschen wird genutzt, um die Zwischenwand zum Verhandlungsraum zu öffnen. Der Angriff soll auf offener Bühne erfolgen. Einige hoffen darauf, dass Matschie vor den Kameras klein beigibt und sich aus dem Staub macht. Doch er bleibt - beklatscht von seinen Unterstützern, ausgebuht von den Anhängern des linken Flügels. Dann folgt der Waffengang. Die Kritiker beginnen: Die bei den Landtagswahlen abgestürzte CDU am Ruder zu halten, sei nicht der versprochene Politikwechsel. Die Bevölkerung wolle ein linkes Bündnis. Den Zugeständnissen der CDU sei nicht zu trauen, über Jahre habe sie die SPD gedemütigt. In die Appelle besorgter Genossen, das Glück der SPD doch in einem rot-roten Bündnis zu suchen, mischen sich die Rücktrittsforderungen der bekennenden Matschie-Gegner.Zu tiefe Gräben Die Verhandlungsriege um Matschie probiert es mit der Umarmungstaktik: "Ich hätte Rot-Rot-Grün auch lieber gesehen, aber nicht alles was wünschenswert ist, ist am Ende des Tages auch realisierbar", sagt der Leiter der SPD-Verhandlungsdelegation für Wirtschaft und Verkehr, Matthias Machnig. Er wird ebenso ausgebuht wie Matschie, als er von seinen Sorgen um die Partei spricht. Er wollte ein linkes Bündnis - "Buh!". Er habe bis zur Grenze der Selbstaufgabe verhandelt - "Buh!". Er werde sein Wahlversprechen nicht brechen und einen Ministerpräsidenten der Linken wählen - "Buh!". Dem Parteivorsitzenden Matschie wird klar, dass er die Gräben nicht überwinden kann. "Ich bin kämpfen gewohnt", spricht dagegen Matschie nach dem Treffen selbstsicher und trotzig in die Kameras. Er lässt keinen Zweifel daran, was er von seinen Kritikern erwartet: Kapitulation. "Es droht keine Spaltung", sagt er fest. Nach der Entscheidung des Parteitages stehen die Mehrheiten - und dann müsse sich die Minderheit fügen. dpa

HintergrundDie Spitzenkandidatin der Brandenburger Linken, Kerstin Kaiser, besteht in einer möglichen rot-roten Koalition nicht auf ein Ministeramt. Sie wolle vielmehr als Fraktionschefin am Kabinettstisch Platz nehmen, sagte die 49-Jährige gestern in Potsdam. "Für Rot-Rot gibt es keine substanziellen Hindernisse. Ich gehe davon aus, dass sich die SPD jetzt klar bekennt", sagte die Verhandlungsführerin der Linken. Kaiser war während ihres Studiums in der Sowjetunion Inoffizielle Mitarbeiterin der DDR-Staatssicherheit. ddp

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