Wahlbetrug oder historische Chance?

Saarbrücken/Berlin. Die Entscheidung der Saar-Grünen, im Saarland die erste Jamaika-Koalition zu bilden, ist im Land und im Bund eifrig kommentiert worden. Der saarländische SPD-Vorsitzende Heiko Maas kritisierte, die Grünen hätten sich gegen einen Politikwechsel entschieden

Saarbrücken/Berlin. Die Entscheidung der Saar-Grünen, im Saarland die erste Jamaika-Koalition zu bilden, ist im Land und im Bund eifrig kommentiert worden. Der saarländische SPD-Vorsitzende Heiko Maas kritisierte, die Grünen hätten sich gegen einen Politikwechsel entschieden. Grünen-Landeschef Hubert Ulrich habe "stattdessen mit den Wendehälsen der CDU und der FDP einen Pakt gegen die strukturelle Mehrheit der Wähler geschmiedet." Vielen Grünen-Wählern dürfte sich der Magen umdrehen. Die Jusos stärkten Heiko Maas den Rücken. Maas stehe zu seinen Versprechen und habe sich bei den Sondierungsgesprächen nicht verbogen, erklärte Juso-Landeschef Sebastian Thul.

Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine (Foto: B&B) sagte, seine Partei habe schon im Landtagswahlkampf gewarnt: "Wer grün wählt, wird sich schwarz ärgern." Mit dem Votum für eine Jamaika-Koalition hätten die Grünen ihr zentrales Wahlkampfversprechen gebrochen, Ministerpräsident Müller und seine CDU-Regierung abzulösen. Lafontaines Fazit: "Das Saarland wird in den nächsten Jahren von einer Koalition regiert, die durch Wahlbetrug und Wählertäuschung zu Stande gekommen ist."

Der Generalsekretär der CDU Saar, Stephan Toscani, bewertet die Jamaika-Koalition als Chance, "wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mit ökologischer Sensibilität und sozialem Ausgleich zu verbinden". Damit könne der erfolgreiche wirtschaftliche Strukturwandel im Saarland fortgesetzt werden. Unterstützung erhielt er vom niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU). Er freue sich, "dass Peter Müller Ministerpräsident bleibt, weil er in Berlin hohes Ansehen genießt". "Ich finde es hochinteressant und wichtig, dass wir im Saarland mit einer Jamaika-Koalition Erfahrungen sammeln", sagte Wulff unserer Zeitung. Hamburg mit seiner schwarz-grünen Koalition und das Saarland seien somit wichtige Testfelder, was auch einer breiter gefächerten Parteienlandschaft "sehr gut tut".

Der Vorsitzende der FDP Saar, Christoph Hartmann (Foto: SZ), sprach von einer "historischen Chance", in einer bisher einmaligen Regierungskoalition die Zukunft gestalten zu können. Er werde den Landesvorstand um Zustimmung bitten, möglichst zügig die Koalitionsverhandlungen aufnehmen zu können. Hartmann: "Am Ende muss dann ein Koalitionsvertrag stehen, in dem deutlich eine liberale aber auch eine grüne und schwarze Handschrift zu erkennen ist." Die Bundes-FDP begrüßte die Entscheidung.

Die Bundes-Grünen respektieren die "autonome Entscheidung der saarländischen Grünen" für eine Jamaika-Koalition mit CDU und FDP. Die Parteivorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir betonten, die Ergebnisse der Sondierungen zeigten eine deutliche grüne Handschrift insbesondere bei der Bildungs- und Klimaschutzpolitik. Die Entscheidung habe aber "keine Signalwirkung für die Bundesebene". jöw/low/ddp

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