Pressestimmen zur Koalition im Saarland

"Der Standard“ (Wien) „Zwar ist das Saarland nur ein kleines Bundesland. Doch das Signal, das von Saarbrücken ausgeht, schallt bis Berlin. Ungern hören es die Sozialdemokraten, denn es bedeutet: Selbst ein Bündnis mit den Linken sichert den Genossen noch nicht automatisch die Macht - wenn die Grünen nicht mitziehen.

Zur Freude der Union emanzipiert sich die Ökopartei von ihrem "natürlichen" Bündnispartner SPD und eröffnet der CDU/CSU neue Möglichkeiten. Eines ist jetzt schon absehbar: Die Lager bröckeln, Deutschland wird bunter.“

"Rhein-Neckar-Zeitung“ (Heidelberg)


Die Zeit der festgefügten Lager ist offensichtlich vorbei. Damit tragen die Parteien der zunehmenden Differenzierung in der politischen Landschaft Rechnung. Für die Wähler bedeutet dies allerdings, dass sie oft nicht wissen, welches Bündnis sie eigentlich unterstützen. Sie müssen daher zumindest darauf vertrauen können, dass die Parteien bestimmte, vorher festgelegte programmatische rote Linien nicht überschreiten.

"Nürnberger Zeitung“

Der Widerstand der Dinosaurier aus rot-grüner Zeit wird den Zug der Zeit nicht aufhalten können. Zu lange schon haben sich treibende Kräfte in Union, FDP und bei den Grünen aufeinander zubewegt.

Besonders wertkonservative Grüne und Schwarze fanden ja schon in den 90er Jahren als „Pizza-Conection“ Gefallen aneinander. Mit der Öffnung der Unionsparteien zur linken Mitte hin und mit zunehmender Verbürgerlichung der in Teilen ohnehin im Bürgertum beheimateten Grünen verfestigte sich dieser Trend nur.

"Eßlinger Zeitung“

So ist die zum Machterhalt bewiesene extreme Flexibilität das Erstaunliche am künftigen Bündnis an der Saar. Sie könnte stilbildend wirken: Im Sinne dessen, was in anderen Staaten längst Normalität ist. Koalitionen sind Bündnisse auf Zeit. Sie haben einen mehr oder weniger großen Vorrat an Gemeinsamkeiten. Was Kompromiss oder auch Kuhhandel nicht lösen können, wird ausgeklammert, bis nach der nächsten Wahl eine andere Konstellation regiert. Für die Zukunft sollte für Länder wie den Bund aufs Neue klar werden, dass grundsätzlich alle Demokraten untereinander koalitionsbereit sein müssen.

"Kölnische Rundschau“


Dass nun ausgerechnet die ehemals „schwarze“ Ampel - heute lieber Jamaika genannt - als erste Dreierkoalition zum Zuge kommen könnte, darauf haben sicher nicht viele politische Beobachter gewettet...

Vielleicht zum letzten Mal hat der „Oskar-Faktor“ eine entscheidende Rolle gespielt. Mit populistischen Sprüchen hat der frühere Ministerpräsident so ziemlich alle Konkurrenten verletzt. Während er aber seine „alte Liebe“ SPD zuletzt relativ pfleglich behandelte, weil er auf Rot-Rot setzte, ließ er keine Gelegenheit aus, die Grünen zu attackieren. Dass er sich jetzt entschloss, auf die Fraktionsführung in Berlin zu verzichten, um sich intensiver um das Saarland kümmern zu können, hat sicher den Ausschlag gegeben haben für die Entscheidung. Es war wohl die Furcht vor einem Nebenministerpräsidenten Lafontaine und seinen möglichen Allüren und Querschüssen, die Rot-Rot-Grün an der Saar verhindert hat.

"Die Glocke“ (Oelde)

Denn mit wem man ein Bündnis eingeht, ist vor allem eine Frage von Inhalten und - speziell im Saarland - von Personen. Was die Inhalte angeht, so haben CDU und FDP den Grünen weitgehende Zugeständnisse gemacht. Abschaffung der Studiengebühren und längeres gemeinsames Lernen sind nur zwei Punkte, mit denen den Grünen das neue Farbenspiel schmackhaft gemacht werden soll. Und was das Personal betrifft, so sind sich der grüne Landesvorsitzende Hubert Ulrich und Linke-Fraktionschef Oskar Lafontaine in herzlicher Abneigung zugetan.

Der Saar-Napoleon hatte im Wahlkampf kräftig Stimmung gegen die Grünen gemacht. Dafür erhält er nun die Quittung. Dass „Jamaika“ an der Saar möglich wird, ist paradoxerweise auch Lafontaines Verdienst.

"Neue Osnabrücker Zeitung“

Sechs Wochen nach dem grandiosen Wahlergebnis der Linken im Saarland steht Oskar Lafontaine als der große Verlierer da. Der sonst so ausgebuffte Taktiker hat sich verzockt. Sein Angebot, die konfuse Saar-Linke in einem rot-rot-grünen Bündnis zu disziplinieren, verschreckte die Grünen. So trieb Lafontaine die unschlüssigen Grünen ins bürgerliche Lager und rettete dem Wahlverlierer Peter Müller das Amt des Ministerpräsidenten. Die neue saarländische Farbenlehre ist also eher das Ergebnis persönlicher Animositäten als ein wohlabgewogener Testlauf für die Bundesebene. Für die Saar-Grünen ist der Trip nach Jamaika freilich nicht ohne Risiko. Denn im Bündnis mit zwei deutlich größeren Partnern aus dem gegnerischen Lager droht die Fünf-Prozent-Partei an die Wand gedrückt zu werden.

"Pforzheimer Zeitung“

Eines ist klar: Von der Union trennt die Grünen inhaltlich nicht viel mehr als von ihrer bisherigen Verbündeten SPD. Zumal, wenn die CDU, wie Saarlands Ministerpräsident Müller, der Atomkraft abschwört. Und es gibt auch Gemeinsamkeiten: Was Werte und Klientel anbelangt, liegen moderne Schwarze und grüne Realos dicht beieinander. Wie die FDP mit dazu passt, wird sich zeigen. Alle Pläne werden die Grünen mit ihren künftigen Partnern nicht umsetzen können. Das aber liegt in der Natur jeder Koalition.

"Saarbrücker Zeitung“

Verlierer sind SPD-Vormann Heiko Maas mit seinen Genossen, die nun in die schwarz-gelb-grüne Röhre gucken, obwohl sie eigentlich nichts falsch gemacht haben. Vor allem aber hat Oskar Lafontaine verloren, dessen Strategie sich als kontraproduktiv erwies: Zahlreiche Grüne, die selbst nach dem Anti-Grünen-Wahlkampf der Linken eher das „rot-rot-grüne Projekt“ favorisierten, wollten sich von Lafontaine nicht länger zum Narren halten lassen. ...

Peter Müller, der den Grünen einige Zugeständnisse machen musste, sitzt jetzt wieder am längeren Hebel: Die Grünen haben sich positioniert und damit kein Druckmittel mehr. Von einer „Richtungsänderung“ werden sie nur träumen können, denn Müller und Hartmann werden auch das bürgerliche Lager bedienen müssen. Ob das Experiment „Jamaika“ funktioniert, steht in den Sternen. Spannend wird es allemal.

"Der neue Tag“ (Weiden)

Erstens kommt es anders, und, zweitens, als man denkt. Das Saarland und Thüringen exerzieren gerade vor, wie weit auseinander das Lager jenseits von Schwarz-Gelb bei aller Nähe ist. SPD und Grüne können auch anders, der Linksblock, von dem Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit träumt, ist überholt... Und was sagen Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und der designierte SPD-Chef Sigmar Gabriel dazu? Nichts. Sie sehen zu, wie ihnen der Laden um die Ohren fliegt.

"Rhein-Zeitung“ (Koblenz/Mainz)

Großer Verlierer der grünen Entscheidung für Jamaika ist die SPD.

Die Genossen sind meilenweit entfernt vom machtpolitischen Anything goes der Grünen. Im Bund und in Ländern wie Thüringen kann die SPD sich nur noch als Junior-Partner der Union andienen. Welchen Wähler soll das überzeugen? Wo die Grünen sind, da müssten die Sozialdemokraten hin. Dies würde zunächst eine konsequente Öffnung gegenüber der Linkspartei bedeuten. Das stellt die SPD aber vor eine größere Zerreißprobe, als sie die Grünen wohl je erlebt haben. Doch solange es den Sozialdemokraten nicht gelingt, sich machttaktisch ähnlich wie die Grünen freizuschwimmen, droht ihnen das, was Herbert Wehner seiner Partei Anfang der 1980er-Jahre prophezeite: eine jahrelange Opposition im Bund.

"Coburger Tageblatt"

In Saarlouis war am Sonntag viel von Verlässlichkeit die Rede und die sehen die Grünen an der Saar eher im bürgerlichen als im linken Lager. Zugleich hebeln sie damit die hergebrachte Lager-Theorie aus: Mit dem Schwenk zur Union und den Liberalen erweitern die Grünen nicht nur ihre eigenen Optionen. Mit diesem Sonntag ist die Bundesrepublik politisch wieder ein Stück bunter geworden.

"Schwäbische Zeitung“ (Leutkirch)

Das ist ein gutes Zeichen. Denn es zeigt, dass den meisten Demokraten klar ist, warum sie in die Politik gegangen sind: um zu gestalten. Und das ist nun mal im Wesentlichen Regierungsarbeit. Aus Verantwortung für ihr Land sind deshalb viele Handelnde über ihren Schatten gesprungen, haben Denkverbote beiseite geschoben und Gemeinsamkeit gesucht, statt polemisch aufeinander einzuschlagen und schlicht dagegen zu sein.

"Südwest Presse“ (Ulm)

Nun bahnt sich also wieder eine historische Wende in der deutschen Politik an. Das Votum der Grünen für Koalitionsverhandlungen mit Schwarz und Gelb im Saarland eröffnet ein neues Kapitel in der Farbenlehre der deutschen Parteienlandschaft. Das kann man nur begrüßen, solange dahinter grundsätzliche inhaltliche Überlegungen stecken, das Kräfteverhältnis in Deutschland perspektivisch um eine Option zu erweitern. Um Inhalte aber ging es den Grünen im Saarland am Ende nicht mehr. Zwar waren ihnen CDU und FDP bis zur Selbstaufgabe entgegengekommen. Ob Abschaffung der Studiengebühren, längeres gemeinsames Lernen, Rauchverbot oder Atomausstieg: Alles war recht, um die Grünen ins Boot nach Jamaika zu locken.

"Allgemeine Zeitung“ (Mainz)

Zumindest an der Saar haben die Grünen die Signale vom 27. September glasklar erkannt: Diese Republik will in ihrer Mehrheit nicht von links regiert werden. CDU und FDP ihrerseits können jetzt beweisen, dass sie willens und in der Lage sind, Politik auch unter Einschluss ökologischer Sichtweisen zu realisieren. Der Rest der Republik wird das Testlabor Saar genau beobachten. Gelingt im kleinsten Flächenland ein langfristig tragender Kompromiss zwischen Markt und Umwelt, dürfte Jamaika bald seine Exotik verlieren.

"Badische Zeitung“ (Freiburg)

Vordergründig waren es landespolitische Erwägungen und persönliche Animositäten (zu Lafontaine), die zum Jamaika-Bündnis geführt haben. Dennoch hat der Schritt für die Bundespartei Signalwirkung, auch wenn die Parteispitze dies (noch) nicht so sehen will. Die Annäherung der Grünen an die Union kommt von unten, von den immer mehr realpolitisch geprägten Bastionen in den Städten und Ländern. In Freiburg verzichtet die CDU zugunsten des Grünen Dieter Salomon auf einen eigenen Kandidaten bei der OB-Wahl. Und in Hamburg scheint die schwarz-grüne Koalition offensichtlich reibungslos zu funktionieren.

Mit Jamaika verfügen die Grünen nun über ein neues Optionsmodell. Die Parteispitze täte gut daran, die Chancen, die darin stecken, zu erkennen und zu nutzen.

"Schwarzwälder Bote“ (Oberndorf)

... Ein schwarz-grün-gelbes Bündnis in Saarbrücken aber ist keine bloße landespolitische Fußnote. Vielmehr regelt die „Schwampel“ die politischen Verkehrsströme in ganz Deutschland neu. Die schwarz-grün-gelbe, die schwarz-grüne Reise steht nicht länger auf Stopp. ...

Zudem liegt der Öko-Partei strategisch daran, im Parteienspektrum nicht im Schatten der Linken unkenntlich zu werden. Neuerlich in die Röhre schaut die SPD, an der vorbei noch jüngst Regierungen hierzulande kaum möglich schienen. Insgesamt wird das Koalitionsspektrum breiter und das ist gut so.

"Landeszeitung“ (Lüneburg)

Das klare Ja der Grünen zur ersten Jamaika-Koalition in Deutschland hat viele Väter, aber nur einen Übervater: Oskar Lafontaine. Seine Ankündigung, sich mehr auf das Saarland konzentrieren zu wollen, kam dem Bekenntnis gleich, sich zu einem Co-Ministerpräsidenten neben Heiko Maas in einer rot-rot-grünen Koalition aufschwingen zu wollen. Dies überzeugte offenbar die letzten Zweifler in den grünen Reihen, Schwarz-Gelb-Grün zuzustimmen.

Das Ja der Grünen ist aber auch als Emanzipation von der SPD zu sehen. Jahrelang galten sie als Anhängsel der Sozialdemokraten. Nun könnte das Saarland den Auftakt zur „Jamaikanisierung“ der politischen Landkarte bilden.

"Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung“

Sollte das Experiment im Saarland tatsächlich gelingen, wäre das vor allem für die arg gebeutelte SPD ein schwerer Schlag: Während sie immer heftiger mit der Linkspartei flirtet und im besten Brandt¹schen Sinne von einer Mehrheit links der Mitte träumt, öffnen sich die Grünen plötzlich zur Mitte hin. Das kleinste Bundesland der Republik könnte damit zum Nährboden für große politische Veränderungen werden: Eine linke Mehrheit im Parlament führt nicht mehr automatisch zu einer linken Regierung.

"Heilbronner Stimme“

Letztlich hat für die Entscheidung der Grünen-Basis aber vor allem die Rückkehr von Oskar Lafontaine nach Saarbrücken den Ausschlag gegeben. Er hätte einen SPD-Ministerpräsidenten Heiko Maas an der kurzen Leine gehalten und die Grünen spüren lassen, wer tatsächlich das Sagen hat. Aber hier hat sich Sonnenkönig Oskar auf der Zielgeraden seiner politischen Laufbahn verrannt: Die Grünen haben der unkalkulierbaren Saar-Linken eine Abfuhr erteilt und sich für ein stabileres Bündnis entschieden. Dass Jamaika nicht allerorten paradiesische Zufriedenheit auslöst, ist klar. Aber vielleicht darf es in der Politik ab und an tatsächlich einmal um Fakten und Programme und weniger um Macht und Personen gehen. Das Beispiel sollte Schule machen.

"Weser-Kurier“ (Bremen)

Dass die Saarland-Grünen zur bürgerlicher Antwort tendieren, ist mehr als nur eine Momentaufnahme. Denn tatsächlich passen die Grünen eher in dieses Spektrum, als mitten zwischen die Linken und die SPD.

Sie sind längst als bürgerliche Partei etabliert, dabei weder groß-noch kleinbürgerlich. Die Grünen erreichen die Menschen, die sich genau dazwischen sehen beziehungsweise die tatsächlich dazwischen stehen, die jungen Familien, die besser verdienenden Intellektuellen, die Engagierten - und damit eine der begehrtesten, aber eben auch anspruchsvollsten Zielgruppen, die es gibt. Die Bedürfnisse dieses Teils der Mitte in Koalitionsvereinbarungen einzubringen, wird für die Grünen Herausforderung und Pflicht zugleich.

"Berliner Morgenpost“

Als habe er seine Mission erfüllt, trollt sich Lafontaine nun wieder und verursacht erneut beträchtliche Kollateralschäden. Denn mit seiner Rückkehr an die Saar verhindert Lafontaine ausgerechnet in seinem Heimatland das erste rot-rot-grüne Bündnis im Westen. Keine Frage, Lafontaines diabolischer Faktor beflügelte die Entscheidung der Saar-Grünen, lieber das kulturell ungewohnte Jamaikabündnis zu riskieren, als sich von Lafos Linken nasführen zu lassen. Es ist schon Ironie für Feinschmecker, wenn ausgerechnet einer der begnadetsten Populisten der Republik machtpolitisches Strategievermögen eines Kreisligisten demonstriert. Denn Lafontaine treibt die Grünen aus dem gelernten linken Lager in die Mitte und ermöglicht dem einstigen Partner nun, seine Machtoptionen auszuweiten.

"Badische Neueste Nachrichten" (Karlsruhe)

Langsam, aber sicher befreien die Grünen sich unter dem Druck unerwarteter Wahlergebnisse aus ihrer babylonischen Abhängigkeit von der SPD und bereichern das deutsche Parteiensystem um eine reizvolle strategische Option. Sollte das Experiment im Saarland tatsächlich gelingen, wäre das vor allem für die arg gebeutelte SPD ein schwerer Schlag: Während sie immer heftiger mit der Linkspartei flirtet, öffnen sich die Grünen. Das kleinste Bundesland könnte zum Nährboden für große politische Veränderungen werden: Eine linke Mehrheit im Parlament führt nicht mehr automatisch zu einer linken Regierung.

"Volksstimme“ (Magdeburg)

Was bis vor kurzem eher unwahrscheinlich schien, ist auch das Ergebnis großer Zugeständnisse der CDU im Saarland an die Grünen. Aber es ist noch viel mehr. Es ist zugleich eine herbe Schlappe für den einstigen Herrscher an der Saar. Sicher, Oskar Lafontaine hat sein vorrangiges Ziel erreicht, seine alte Heimat-Partei SPD substanziell zu beschädigen. Doch mit ihm regieren wollen die Grünen lieber nicht. In einer Jamaika-Koalition können die Grünen Politik gestalten und eigene Akzente setzen auf berechenbaren Fundamenten.

"Westfälische Nachrichten" (Münster)

... Die veränderte Parteienlandschaft ruft nach solchen Tabubrüchen, weil die klassischen Blöcke Schwarz-Gelb und Rot-Grün in einem Fünf- Parteien-System mitunter keine Mehrheiten mehr zustande bringen. Aufeinander zugehen, Kompromisse schließen müssen dabei alle Beteiligten. Mal sehen, wie sich die Eisbrecher an der Saar bei diesem Experiment schlagen.

"Westdeutsche Zeitung" (Düsseldorf)

In Saarbrücken wird Lafontaine nicht lange den Fraktionsvorsitzenden auf der Oppositionsbank geben. Und in Berlin ist der Zug bereits abgefahren. Lafontaine sitzt zwischen den Stühlen.

"Stuttgarter Nachrichten“

Das ist eine weit über das kleine Land hinausreichende Entscheidung. Die Grünen befreien sich aus eigener Kraft von jener rot-grünen Fessel, die sie andernfalls in einer sich dramatisch verändernden Parteienlandschaft - programmatisch unnötig wie politisch unklug - noch länger an die Seite der SPD gekettet hätte.

Wie zuvor in Thüringen, so haben sich auch die Linken im Saarland verkalkuliert. Sie treten als eine anmaßende, unberechenbare Gruppe auf, im Saarland obendrein von einem wie Oskar Lafontaine angeführt, dem selbst die Grünen alles zutrauen - außer etwas Gutem.

"Neue Westfälische" (Bielefeld)

Den letzten Ausschlag für die Entscheidung gegen Rot-Rot-Grün dürfte die Rückkehr Oskar Lafontaines an die Saar gegeben haben. Auf diesen Neben-Ministerpräsidenten konnten die Grünen herzlich gern verzichten.

"Augsburger Allgemeine"

Sollte das Experiment im Saarland gelingen, wäre das vor allem für die arg gebeutelte SPD ein schwerer Schlag: Während sie immer heftiger mit der Linkspartei flirtet, öffnen sich die Grünen zur Mitte hin. Das kleinste Bundesland der Republik könnte damit zum Nährboden für große politische Veränderungen werden: Eine linke Mehrheit im Parlament führt nicht automatisch zu einer linken Regierung.

"Mannheimer Morgen“

So weit wie Peter Müller in Saarbrücken ist den Grünen noch kein potenzieller Koalitionspartner entgegen gekommen. Um nach der krachenden Wahlniederlage Ende August doch noch im Amt bleiben zu können, geht der CDU-Mann bis an die Grenzen der Selbstverleugnung -und schmiedet damit die erste Jamaika-Koalition in einem Bundesland.

So schwer die Grünen sich mit ihrer Entscheidung für den farbenfrohen Dreier getan haben, so konsequent ist sie auch. Langsam, aber sicher befreien sie sich aus ihrer babylonischen Abhängigkeit von der SPD und bereichern das Parteiensystem um eine reizvolle strategische Option.

"General-Anzeiger“ (Bonn)

Bei den Grünen in Saarbrücken wollen die Kritiker des Jamaika-Plans des Vorstandes nicht lautlos das Feld räumen. Doch wenn sie von Verhohnepipelung des Wählers sprechen, müssten sie eigentlich an Oskar Lafontaine denken. Denn der hatte die Grünen erst aus dem Landtag verdrängen wollen, sich jetzt mit seinem angekündigten Wechsel an die Saar aber zum eigentlichen Geburtshelfer der Jamaika-Koalition gemacht. Denn dieser Wechsel musste von den Ökos als Bedrohung empfunden werden: Unter einem Ministerpräsidenten Lafontaine i.H. (im Hintergrund) wäre Rot-Rot-Grün zu einer unkalkulierbaren Veranstaltung geworden. Dann lieber mit den Konservativen und Liberalen. Eine gute Entscheidung - mit Perspektiven für das ganze Land.

"Rhein-Neckar-Zeitung" (Heidelberg)

Jamaika Nr. 1 geht an der Saar zwar nur als Experiment im Labormaßstab über die Bühne, hat aber bedeutend mehr Charme als rot-rote oder rot-rot-grüne Bündnisse, in denen sich SPD und Linkspartei ständig belauern und beharken. Jamaika kann vor allem für die Grünen befreiend wirken, die sich zuletzt von allen Regierungsmöglichkeiten ausgesperrt hatten. Der eigentliche Treppenwitz liegt aber darin, dass „Oskar ante Portas“, also die Drohung Lafontaines, sich in Saarbrücken als heimlicher Regierungschef zu installieren, nicht nur die SPD, sondern auch die Linkspartei auf die Oppositionsbänke schickt. Wo man Lafontaine künftig natürlich nicht sehen wird.

"Leipziger Volkszeitung"

Die Grünen im Saarland, eine Kleinpartei mit eigenwilliger Führung, machen den Weg frei für eine Probefahrt nach Jamaika. Das ist absurd.

CDU-Ministerpräsident Müller hat krachend verloren. Das Nachsehen hat eine Landes-SPD, die - gemessen am Gesamtverfalls-Zustand der Sozialdemokraten - in guter Verfassung ist. An diesem unerwarteten Nachwahl-Profit für die Union soll nun ausgerechnet Oskar Lafontaine schuld sein - der Demnächst-Polit-Pensionär? Grünen-Landeschef Ulrich sollte diesen Unsinn sein lassen. Nicht Lafontaine wars, sondern eher die Erkenntnis, dass für viele Merkels CDU-Wärmestube mehr Geborgenheit verspricht als ein linker Kraut-und-Rübenladen. Ein Experiment mit Strahlkraft wird diese Jamaika-Tour kaum - nicht mit diesem Personal, nicht derart hinterrücks. Aber eines gilt: Vom Linksruck ist Deutschland weiter denn je entfernt.

Alle helfen zusammen - nun also auch die Grünen - damit sich eine Republik aufmacht, zum Kanzlerinnen-Land zu werden.

"Stuttgarter Zeitung"

Reichlich spät ist die Parteienlandschaft, die mit der Linken längst um einen fünften potenziellen Partner angewachsen ist, in Bewegung geraten. Die Folge ist, dass die Union, wie man im Saarland, aber auch in Thüringen sieht, überraschend offensiv und wandlungsfähig um die Zuneigung von SPD, FDP oder Grünen buhlt.

Ministerpräsident Peter Müller hat an der Saar vor allem den Grünen Zugeständnisse gemacht, wie sie vor den Wahlen kaum denkbar schienen. Sicher, er löst damit womöglich in seiner Partei Debatten über das zulässige Maß an Kompromissbereitschaft aus. Aber Müllers Engagement für Jamaika zeigt eben auch, dass die Farbenspiele nicht zwangsläufig zu Bündnissen links von der Mitte führen müssen, so diese überhaupt rechnerisch möglich ist.

"Frankfurter Rundschau"

Das kleine Bundesland hält trotz aller Eigenheiten ein paar Lehren für den Rest der Republik bereit. Vielleicht die wichtigste lautet, dass Programme nicht alles sind. SPD und Linke könnten sich bundesweit über Mindestlöhne und Hartz IV-Verbesserungen verständigen. Das wäre indes vergebliche Mühe, solange der persönliche Faktor nicht stimmt. Und da braucht es noch Zeit, bis SPD und Linke im Westen einander freundlich die Hand reichen. Sie kennen einander zu gut, ihnen haftet der Duft aus demselben Stall an, das trennt mehr als alle Ideologie.

"tz" (München)

Man könnte meinen, Oskar Lafontaine will gar nicht mehr mitregieren. Ohne große Not hatte er am Freitag seinen Rückzug von der Bundestags-Fraktionsspitze in den saarländischen Landtag erklärt.

Prompt flüchteten gestern die Saar-Grünen bei der Koalitionsfrage lieber zu einem konservativen Jamaika-Bündnis statt zu Rot-Rot-Grün. Zu unberechenbar und selbstdarstellerisch war ihnen Lafontaine als Partner. Aber auch wenn es jetzt eine beachtenswerte Polit-Premiere an der Saar gibt: Die schwarz-gelb-grüne Regierung des Mini-Landes wird für künftige Bundes-Bündnisse eine ähnlich geringe Rolle spielen wie das schwarz-grüne Hamburg.

"Münchner Merkur"

Die Entscheidung pro Jamaika strahlt weit über die Grenzen des kleinen Bundeslandes hinaus. Nach der Ausschließeritis der Parteien im zurückliegenden Bundestagswahlkampf sortiert sich die politische Landschaft der Bundesrepublik neu. Damit befreien sich die Grünen nicht nur selbst aus der babylonischen Gefangenschaft mit der SPD, sie brechen auch die lange Zeit festgefügte politische Lagerordnung in Deutschland auf: Bis auf Rot-Gelb und Rot-Gelb-Grün sind derzeit alle denkbaren Konstellationen im Praxistest und auch eine Ampel kann die FDP nach der Entscheidung von Saarbrücken nicht länger verteufeln. (Fast) alles scheint jetzt möglich.

"Handelsblatt" (Düsseldorf)

Die Innovationen auf Landesebene sind zweifelsohne wichtig für die Bundesparteien. Die Bündnisse im Kleinen probieren aus, ob einst verfeindete Parteien kulturell überhaupt zusammenpassen. An der Saar müssen gegelte Liberale erstmals mit den Turnschuhen entwachsenen Grünen eine gemeinsame Linie finden. Für den Wähler aber bieten die Innovationen bislang nichts, was zwingend in die Zukunft weist. Seit einem Jahr koaliert etwa die Union in Hamburg mit den Grünen. Was daran ist richtungweisend? Auf Bundesebene redet immer noch niemand über ein solches Projekt. Jetzt müssen die neuen Bündnisse beweisen, dass sie eine Wahlperiode überstehen und eine Leitidee entwickeln können. Jamaika an der Saar nur als Flucht vor einer Regierung mit Oskar Lafontaines Linker wäre dann doch etwas zu wenig.

"Offenburger Tageblatt"

Die vergangene Bundestagswahl wirbelt die Parteienlandschaft schneller durcheinander als erwartet. Der fliegende Fahnenwechsel der SPD ins Lager der Linksaußen fällt zum Beispiel in Thüringen aus - vorerst einmal. Dafür sorgen die Grünen für die Sensation. Jamaika liegt jetzt an der Saar. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik streben die Grünen eine Koalition mit CDU und FDP an.

Die bisher gültige politische Farbenlehre ist Vergangenheit. Die Grünen beginnen ihr linkes Erbe hinter sich zu lassen.

"Märkische Oderzeitung Frankfurt" (Oder)

Oskar Lafontaine bleibt eben das Maß aller politischen Dinge im Saarland. Er sorgte im Alleingang dafür, dass die Linke aus dem Stand mehr als 20 Prozent der Wählerstimmen gewann. Und er sorgte im Alleingang dafür, dass sich die Linke dafür nun nichts mehr kaufen kann. Sie kann sich in den kommenden Jahren an der Saar Schwielen auf den Oppositionsbänken sitzen und mit ziemlicher Sicherheit bei der nächsten Wahl wieder in die Bedeutungslosigkeit zurückfallen...

Grünen-Chef Hubert Ulrich kritisierte, Lafontaine habe das Gegenteil von dem gemacht, was Geist der Sondierungsgespräche war. Eigentlich ein bekanntes Verhaltensmuster, aber viele dachten eben, die Altersweisheit werde die Eruptionen kontrollieren.

"Ostsee-Zeitung" (Rostock)

Zumindest an der Saar verschiebt die eigentlich links-bürgerliche Partei ihren politischen Schwerpunkt deutlich in die bürgerliche Mitte. Dies hat noch keine unmittelbaren bundespolitischen Auswirkungen für die Grünen, die im Bundestag der künftigen schwarz-gelben Koalition kräftig Zunder geben werden. Doch zu einem handfesten Richtungsstreit innerhalb von Bündnis 90/Die Grünen wird die Entscheidung an der Saar auf jeden Fall führen. Die starken Links-Grünen werden das Votum nicht so ohne weiteres hinnehmen, wie etwa jenes für Schwarz-Grün in Hamburg. Mit der Entscheidung der Bundestagswahl zugunsten von Union und FDP sind die politischen Lager im Land offenbar stärker in Bewegung gekommen, als sich das manche Parteistrategen ausmalen konnten. Die Premiere an der Saar zeigt, neue und lange für ausgeschlossen gehaltene Koalitionen werden möglich.

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