Aktuelle Stunde Debatte über Thüringen-Drama erhitzt den Bundestag

Berlin · Gerade noch war die Bundestagssitzung vor sich hin geplätschert, da explodierte die Stimmung von einer Minute auf die andere. „Aktuelle Stunde zu Thüringen“, und schon die erste Rednerin, Amira Mohamed Ali von den Linken, erntete so massive Zwischenrufe von der AfD, dass die Stenografen kaum nachkamen.

Die ganze Erregung der vergangenen Woche spiegelte sich in dieser Debatte wider.

Es fielen große Worte. „Kein Fußbreit den Faschisten“, begann Mohamed Ali, und endete mit: „Es geht um den Erhalt unserer Demokratie.“ Kaum weniger bombastisch SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider: „Die Sozialdemokraten sind das Bollwerk des Antifaschismus.“ Oder Katrin Göring-Eckardt, Grüne, die schon beim Betreten des Pultes so unflätig aus AfD-Reihen beschimpft wurde, dass der Tagungspräsident zur Ordnung mahnte. Göring-Eckardt rief den Rechten zu: „Sie lieben dieses Land nicht, Sie wollen es brennen sehen.“ Auch nicht zimperlich. Und alles wegen einer Ministerpräsidentenwahl in einem ziemlich kleinen Bundesland.

Die Erregungskurve wurde durch die Beiträge der AfD-Redner nicht flacher. Parteisprecher Tino Chrupalla drehte den Spieß einfach um. Hier werde eine demokratische Wahl in den Schmutz gezogen, meinte der Sachse und listete die Schuldigen auf: Linke, SPD, Grüne, Union, FDP und „die meisten Medien“. Gar von einer „Kriegserklärung des Altparteienstaates an den Parlamentarismus“ sprach Chrupalla, ohne freilich zu erwähnen, dass seine Partei in Erfurt ganz unparlamentarisch den eigenen Bewerber nicht gewählt hatte, um CDU und FDP auszutricksen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe mit ihrer Forderung, die Wahl des FDP-Mannes Thomas Kemmerich rückgängig zu machen, „das Vertrauen in die deutsche Demokratie erschüttert“ und „im Stil einer Staatsratsvorsitzenden“ gehandelt. AfD-Fraktionschef Alexander Gauland verglich Merkel mit Walter Ulbricht, sprach ebenfalls von einer „demokratischen Wahl“ und warnte die CDU vor einer weiteren Ausgrenzung der AfD. „Das macht uns nur stärker“.

Es gab auch Lichtblicke. Allen voran das klare Bekenntnis von FDP-Chef Christian Lindner, dass Erfurt ein Fehler war. Die FDP werde nie der Steigbügelhalter der Rechten sein, versprach Lindner. Aber in Thüringen habe sie sich vorführen lassen. „Dafür entschuldige ich mich im Namen der Freien Demokraten.“ Mit Ausnahme der AfD zollten die anderen Fraktionen dem Liberalen ehrlichen Beifall, auch die Linke. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak erging es zwei Mal ähnlich. Erst, als er Höcke einen „Nazi“ nannte. Und dann, als er die Bedrohungen gegen beteiligte Politiker kritisierte, darunter auch gegen die Familie von Kemmerich. „Es gibt keine Rechtfertigung von Gewalt“, rief Ziemiak aus, und auch hier klatschten außer der AfD alle.

Freilich, die überwölbende Einigkeit jenseits der AfD endete hier, denn FDP- wie CDU-Redner grenzten sich in ihren Beiträgen gleichzeitig auch sehr scharf von der Linkspartei ab. Was nun zu einem heftigen Schlagabtausch mit dieser führte, den die AfD wiederum genussvoll verfolgte. Es war an diesem Tag im Bundestag bis zum Schluss eine hoch giftige, hoch ideologische Debatte, in der nur eines gar nicht vorkam: ein Lösungsvorschlag für die verfahrene Situation im Thüringer Landtag.

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