Zum Lachen, zum Weinen

Meinung · Es gibt Dinge im Leben, die sind gleichzeitig zum Lachen und zum Weinen. Etwa, wenn sich der bekannte ZDF-Journalist Peter Hahne dieser Tage (in "Bild") furchtbar darüber aufregt, dass der Privatsender RTL mit seiner Sauf-Show "Das Jenke-Experiment" wie üblich in die unterste Schublade greift, um Quote zu machen

Es gibt Dinge im Leben, die sind gleichzeitig zum Lachen und zum Weinen. Etwa, wenn sich der bekannte ZDF-Journalist Peter Hahne dieser Tage (in "Bild") furchtbar darüber aufregt, dass der Privatsender RTL mit seiner Sauf-Show "Das Jenke-Experiment" wie üblich in die unterste Schublade greift, um Quote zu machen. Quote ist das Synonym für "Kohle", was wiederum übersetzt "Geld" heißt. Und nur darum geht's: um Geld.RTL ist berüchtigt für seine "Doku-Soaps". Seit der Erfindung des Privatfernsehens 1984 versuchen die Kölner mit penetrantem Charme, die tiefer angesiedelten Instinkte der Zuschauer zu stimulieren. Der langjährige Chef des Senders, Helmut Thoma, hatte die Parole ausgegeben: Im Seichten kann man nicht ertrinken. Mit "Tutti Frutti" fing es damals noch harmlos an, nach 30 Jahren ist man jetzt bei so mancher "TV-Perversion" (Hahne) gelandet. Von grellen Scheinwerfern gut ausgeleuchtet gibt es Kellerfernsehen im Container (Big Brother), im Dschungelcamp (Ekel-TV), im Kreißsaal (Babyboom) - und natürlich im Bett (7 Tage Sex).

Nein, es geht nicht allein um RTL. Aber der größte europäische Privatsender ist der Trendsetter im Überbieten von Geschmacklosigkeiten. Der TV-Müdigkeit in Zeiten des Internet will man mit Sex, Gewalt und Tabu-Brüchen begegnen. Und in der Welt, in der wir leben, finden sich immer ein paar Dumpfbacken, die es "geil" finden, sich vor der Kamera zu entblößen, demütigen zu lassen oder sich anderweitig zu blamieren. Die Dummheit der einen korrespondiert mit dem Voyeurismus der anderen - fertig ist das RTL-Rezept.

Was aber wirklich ärgerlich ist: Die Kritik an dieser "widerwärtigen und menschenverachtenden Entwicklung" (TV-Mann Oliver Kalkofe) geht an die falsche Adresse. Auch der Medien-Experte Hahne und die Landesmediendirektoren mit ihrer niedlichen Schelte müssten wissen, dass an der Spitze der Trash-Medien hoch angesehene Persönlichkeiten stehen, die von staatlichen Würdenträgern hofiert und geehrt werden. Für das Niveau ihrer Sender ist letztlich die Herrin im Hause Bertelsmann, Liz Mohn, verantwortlich und nicht irgendein angestellter Manager, der dafür sorgen muss, wofür er engagiert wurde: Kohle zu machen.

Gewiss, wir alle sind schuld an der Misere, der Mensch ist schwach und oft von verblüffender Einfalt. Sein Schlüsselloch-Gen ist stark ausgebildet, gern lässt er sich verführen vom süßen Geschmack des Belanglosen. Andererseits leben wir in einer Gesellschaft, die im Verkehr jedes Detail regelt und meint, Bürger mit Schockfotos vom Rauchen abhalten zu müssen. Da sollte es eigentlich möglich sein, die im Grundgesetz verbriefte Pressefreiheit so zu interpretieren, dass die staatlich lizenzierte Verdummung der Menschen zumindest erschwert wird.

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