Suhrkamp in Scherben

Um Literatur ging es beim Suhrkamp-Verlag – zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung – schon lange nicht mehr. Seit nunmehr sieben Jahren dominiert ein erbitterter Streit unter den Gesellschaftern, der Verlegerwitwe Ulla Unseld-Berkéwicz und dem Unternehmer Hans Barlach, das Geschehen in dem Traditionsverlag.

Ein Streit, in dem es nicht um Konzepte, um Inhalte geht, sondern ausschließlich um Macht, Einfluss und persönliche Befindlichkeiten. Ein Streit, der den Verlag schlussendlich dahin trieb, wo er nun steht: mitten in einem Insolvenzverfahren.

Wenn an einer Unternehmensspitze Starrsinn und Ignoranz dominieren, ist das Aus programmiert. Das hat zuletzt unter anderem der Fall Anton Schlecker gezeigt. Jahrelang verwaltete Schlecker seine Drogeriemarktkette wie ein Imperium, duldete keinen Widerspruch und trieb das Unternehmen so in den Untergang. Auch in anderen Fällen - Karstadt 2009 oder Praktiker vor wenigen Wochen - waren es Beratungsresistenz und Abgehobenheit an den Managementspitzen, die einer Pleite vorausgingen. Welchen Anteil eine schlechte Geschäftsführung oder womöglich sogar ein weiteres taktisches Kalkül Unseld-Berkéwiczs zur Suhrkamp-Pleite beigetragen haben, wird sich noch herausstellen müssen. Eines ist jedoch klar: Der Verlag ist ein weiteres Paradebeispiel, wie unerbittlicher Machtwille, Gier und die fehlende Bereitschaft zu Kompromissen Unternehmen in den Ruin führen können. Dass Suhrkamp eben kein Kaufhaus oder eine Baumarktkette mit letztlich austauschbarem Warenangebot ist, sondern ein Stück Kultur von unschätzbarem geistigem Wert, macht die Sache umso schlimmer.

Rücksichtslos sind die beiden Gesellschafter, allen voran Barlach, in den vergangenen Jahren gegeneinander vorgegangen, haben sich gegenseitig mit Vorwürfen und Klagen überhäuft, stets mit dem Ziel, den jeweils anderen abzuschütteln. Jede vermeintliche Einigung stellte sich bald als Trugschluss heraus. Und selbst in der jetzigen Situation, mit dem Rücken an der Wand, hofft Unseld-Berkéwicz noch darauf, dass die anstehende Umwandlung des Verlags in eine Aktiengesellschaft für Barlach so unattraktiv ist, dass dieser sich endgültig zurückzieht.

Unabhängig davon, ob dies in der aktuellen verfahrenen Situation für Suhrkamp vielleicht sogar das Beste ist: Schlimm ist, wie hier maßgeblich zwei Personen einen Verlag, der über Jahrzehnte die geistig-intellektuelle Heimat von Deutschlands größten Denkern war, in einen Scherbenhaufen verwandelt haben. Sollte es mit Suhrkamp dennoch weitergehen, so ist es gut, dass beide ihren maßgeblichen Einfluss nun verlieren werden. Vielleicht besteht dann die Chance, dass es dort irgendwann auch wieder um Literatur geht.

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