Putins blutiger Sieg im Osten der Ukraine

Kiew · Der Krieg im Osten der Ukraine ist gestern ins zweite Jahr gegangen. Und wenn es nach diesen zwölf Monaten des blutigen Konflikts einen Sieger zwischen prorussischen Separatisten und ukrainischen Regierungstruppen gibt, dann ist es Wladimir Putin.

Zwar hat der russische Präsident die schmerzhaften Sanktionen des Westens nicht abwenden können, die gegen sein Land verhängt wurden. Doch seine Taktik gegenüber der proeuropäischen Regierung in Kiew ist seit der Annexion der Halbinsel Krim durch Russland weitgehend aufgegangen.

"Die Krim wurde ohne einen Schuss an Russland angeschlossen, und die Popularität Putins ist in schwindelerregende Höhen geschossen", sagt Dmitri Trenin vom Carnegie Center in Moskau . Auch Nikolai Petrow, Professor an der Moskauer Hochschule für Wirtschaft, sieht die wichtigsten Ziele Putins erfüllt. Dieser habe vor einem Jahr in der Ukraine zumindest einen Konflikt schaffen wollen, der unliebsame Entscheidungen wie einen Nato-Beitritt der Ukraine verhindert, sagt Petrow. Das habe er im Wesentlichen geschafft. Tatsächlich ist eine Nato-Mitgliedschaft oder eine weitere Annäherung Kiews an die EU kaum vorstellbar, solange der Konflikt im Donbass schwelt. Mit der notdürftig verdeckten Unterstützung der Rebellen ist Putin vor einem Jahr ein erhebliches Risiko eingegangen - doch letztlich ging sein Kalkül auf, dass der Westen sich auf Sanktionen beschränken und nicht selbst militärisch eingreifen werde.

Zwar hört Washington nicht auf, den Russen die Unterstützung der Separatisten vorzuwerfen, doch schreckte die US-Regierung aus Angst vor einer weiteren Eskalation des Konflikts davor zurück, selbst Waffen oder gar eigene Truppen in den Donbass zu schicken. Auch haben die USA und die EU zwar eine Reihe durchaus schmerzhafter Sanktionen gegen die Kernbereiche der russischen Wirtschaft verhängt, doch sind sie nicht so weit gegangen, Russland vom internationalen Zahlungssystem Swift auszuschließen. "Die Sanktionen haben Putin sogar geholfen, die russische Bevölkerung im Widerstand gegen den Druck von außen zu einen", sagt Trenin. Zudem scheint die Wirtschaft nach einem schwarzen Jahr das Schlimmste überstanden zu haben, der Rubel gewinnt nach einem massiven Einbruch wieder an Wert. Finanzminister Anton Siluanow schätzt daher, dass der Tiefpunkt überwunden sei, während Wirtschaftsminister Alexej Uliukajew "klare Anzeichen einer Stabilisierung" ausmacht.

In der Ukraine sieht die Lage dagegen trist aus: Der Konflikt im Osten hat die Wirtschaft des Landes einbrechen lassen und die Staatsfinanzen strapaziert. Ohne westliche Finanzhilfen droht Kiew bald der Bankrott. Auch in den Rebellengebieten liegt die Wirtschaft am Boden, und es ist kein Trost, dass auch den Separatisten das Geld ausgeht.

So erfolgreich Putin letztlich auch war - der russische Politik-Experte Konstantin Kalatschew vermag keine langfristige Strategie zu erkennen. Als sich der Präsident in den Ukraine-Konflikt stürzte, habe er vorwiegend nach der Maxime Napoleons agiert: "Erst handeln, dann wird man sehen." Carnegie-Experte Trenin sieht demnach auch eine eher düstere Zukunft: "Moskau wird weiter die weltweite Hegemonie der USA herausfordern." Handeln werde der Kreml dabei ausschließlich nach den eigenen Interessen und Werten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort