Bei der AfD tobt der offene Flügelstreit

Berlin · Der Gründer der "Alternative für Deutschland ", Bernd Lucke , beschwichtigte. Der Eindruck, dass seine Partei vor der Spaltung stehe, sei "völlig falsch". Was man sehe, sei lediglich ein "sehr lebhafter Programmprozess".

Das ist freilich eine außerordentlich wohlwollende Umschreibung des Scharmützels.

Inzwischen ist nämlich ein offener Flügelstreit entbrannt. Eine Gruppe um den Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Höcke und den sachsen-anhaltinischen Landesvorsitzenden André Poggenburg verfasste Mitte März eine "Erfurter Resolution" mit scharfen Angriffen auf den liberaleren Flügel. Der passe sich dem etablierten Politikbetrieb mit seinem "Verrat an den Interessen unseres Volkes" an. Stattdessen müsse die Partei eine grundsätzliche "patriotische" Alternative sein gegen "Multikulti und Erziehungsbeliebigkeit". Rund 1600 Mitunterzeichner fanden sich für den Text, darunter Alexander Gauland, Fraktionschef in Brandenburg. Es wurde eigens eine Website namens "fluegel.de" eingerichtet, auf der für den Text geworben wird.

Die so gescholtenen Gemäßigten in der AfD haben aber auch ein Internetangebot, "deutschland-resolution.de", und auch einen Text. Tenor dort: Wer die Erfurter Resolution unterschreibe, "der will eine AfD der flachen Parolen und der schrillen Töne". Unterzeichnet wurde die Schrift ebenfalls inzwischen von rund 1600 Leuten. So geht es hin und her. Begleitet wird der Streit von gegenseitigen Austrittsaufforderungen; die noch junge Thüringer AfD-Landtagsfraktion etwa steht sogar kurz vor der Spaltung. Krach gibt es auch in anderen Landesverbänden.

An der Spitze dämmert allmählich, dass derartige Streitereien dem Gesamtansehen der Partei "nicht gerade dienlich" sind, wie einer aus dem Führungskreis sagt. Zumal man jetzt mit der zugespitzten Griechenland-Krise eigentlich ein attraktives Thema hätte und die Auseinandersetzungen von dieser Profilierungsmöglichkeit ablenken. Allerdings durchzieht die Führung selbst ein tiefer Riss. Frauke Petry und Bernd Lucke sind die Kontrahenten. Beide haben keine der Resolutionen unterschrieben, obwohl Petry, Landeschefin in Sachsen, eher zum rechten Flügel gehört, Lucke eher zum liberalen. Beim letzten Parteitag in Bremen kämpfte Petry mit aller Macht und vielen Geschäftsordnungstricks, letztlich aber vergeblich, gegen eine von Lucke vorgeschlagene Satzungsänderung, die künftig einen einzigen Parteichef statt jetzt drei vorsieht. Wahrscheinlich wird das Lucke sein. Es gibt allerdings eine Übergangsfrist. Beim Parteitag im Juni soll noch ein erster und ein zweiter Sprecher gewählt werden; der erste Sprecher soll dann ab November allein regieren.

Bisher wollte Petry nicht gegen Lucke um das oberste Führungsamt antreten, doch warf sie ihm am letzten Wochenende offen mangelnde Integrationsfähigkeit vor. Petry drohend: "Wenn Bernd Lucke das Gebot zur Zusammenarbeit ernst nimmt, ist seine Wiederwahl mit Sicherheit nicht gefährdet". Sonst wohl?

Bisher konnte sich Lucke noch stets auf die Mehrheiten bei Parteitagen verlassen, erst recht, wenn es sich um "Mitgliederparteitage" handelt, zu denen jeder kommen darf. Das Treffen im Juni soll ein solcher werden. Allerdings nur, wenn der Schatzmeister noch genug Geld für ein Großtreffen auftreibt. Bis Mitte April hat er dafür noch Zeit.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort