Obamas Muskelspiele

Die USA lassen seit dem Wochenende im Mittelmeer militärisch die Muskeln spielen. Die Rhetorik von Barack Obama war dabei lange eher zurückhaltend: Der US-Präsident, der durch die „rote Linie“-Drohung im letzten Jahr auch seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt hat, suchte in seinen Aussagen – wie auch US-Generalstabschef Dempsey – vor allem nach Gründen, nicht aktiv werden zu müssen.

Seien Aussagen vom Wochenende lassen aber keine Zweifel daran, dass der Präsident nun ernsthaft eine militärische Intervention in Betracht zieht.

Das Nahziel Obamas schien gestern nach einer Zusage Syriens erreicht: Zunächst einmal die UN-Inspektoren an den Ort der neuerlichen Gräueltaten zu bekommen. Was von den Untersuchungsergebnissen wie interpretiert wird, dürfte allerdings für weiteres diplomatisches Tauziehen sorgen. Doch was, wenn die USA und die wichtigsten Alliierten erneut und klar Assads Militärs als Schuldige sehen werden? Eine Resolution des UN-Sicherheitsrats, die lediglich den Einsatz von Massen-Vernichtungswaffen verdammt, wäre zahn- und wirkungslos. Wird es wirklich zu mehr kommen, und Obama solange warten?

Der US-Präsident hat klar gemacht, dass vor einem Eingreifen die Unterstützung der Alliierten und eigentlich auch die "juristische Legitimation" der hoch politisierten Vereinten Nationen stehen müssten. Dass dort die Russen jegliche Intervention gegen ihren Freund Assad blockieren würden, ist aber klar. Auch Deutschland würde ein militärisches Vorgehen kaum unterstützen. Es war - damals noch Mitglied im UN-Sicherheitsrat - auch beim Eingreifen in Libyen den westlichen Verbündeten nicht gefolgt.

Bundeskanzlerin Merkel hinkt allerdings mit ihrer Aussage, der Konflikt in Syrien sei nur politisch zu lösen, den Ereignissen vor Ort hinterher. Die Kriegsparteien stehen sich dort unversöhnlicher denn je gegenüber, eine politische Einigung scheint ohnehin ausgeschlossen. Jetzt geht es vor allem um wirksame Abschreckung, um weitere Gräueltaten zu verhindern - so wie 1999 im Kosovo, als die Nato die ethnischen Säuberungen der Serben auch ohne UN-Plazet stoppte. Allerdings scheint gerade mit Blick auf Nahost die Gefahr wesentlich größer, dass eine Militäraktion Folgen auch über Syrien hinaus hat, wie die jüngsten Wortmeldungen im Iran und in Israel zeigen.

Unterschätzen sollte aber Assad den US-Präsidenten nicht. Auch ein Friedens-Nobelpreisträger könnte, was erschütternde Bilder von an Giftgas sterbenden Kindern angeht, eine Toleranzschwelle haben - und die moralische Pflicht zum Handeln und zu einem klaren Warnschuss sehen. Selbst wenn die Mehrheit der US-Bürger daran kein Interesse hat.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort