Juncker könnte Probleme mit den Frauen bekommen

Brüssel · Jean-Claude Juncker hat ein Frauenproblem – rein dienstlich versteht sich. Der designierte Kommissionspräsident möchte Europas Exekutive weiblicher machen.

Doch die Hauptstädte wollen bisher vorwiegend Männer in die neue Brüsseler "Regierungsmannschaft" schicken.

In der Kommission des scheidenden Präsidenten José Manuel Barroso waren neun der 28 Kommissare Frauen . Die "Damenriege" gibt dem Luxemburger nun mit einem "Solidaritätsbrief" Rückendeckung. Darin werden die Mitgliedsstaaten aufgefordert, mindestens zehn weibliche Vertreter für die mächtige Exekutive zu benennen. Das Problem: Jede nationale Regierung darf nach eigenem Gusto einen Kommissar für Brüssel bestimmen. Allerdings soll dies - so erinnert Junckers Umfeld in diesen Tagen - im Einvernehmen mit dem künftigen Exekutivchef geschehen.

Zudem steht Juncker das Privileg zu, die Ressorts zu verteilen. Daher hat der 59-Jährige die Möglichkeit, jenen Staaten besonders attraktive Zuständigkeiten zu versprechen, die eine Frau senden. Italiens Ministerpräsident Renzi etwa schickt seine Außenministerin Federica Mogherini ins Rennen. Er sähe die 41-Jährige gerne als Vizechefin der Kommission und EU-Außenbeauftragte - mit guten Chancen.

Die Bundeskanzlerin hat sich auf eine zweite Amtszeit für Günther Oettinger - bisher Energiekommissar - festgelegt. Berlin beansprucht für ihn ein Schlüsselressort und einen Vizepräsidentenposten. Die "Vize" werden vermutlich künftig aufgewertet, weil ihnen ein Cluster aus mehreren Ressorts unterstellt werden könnte. Interessierte Brüsseler Kreise lancieren nun die Idee, Berlin könne doch noch eine Frau als "Alternative" benennen. Ein Name wird gleich als Testballon mitgeliefert: Annegret Kramp-Karrenbauer, Ministerpräsidentin des Saarlands. Auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen wurde vor ein paar Wochen schon mal ins Spiel gebracht. Allerdings glaubt kaum einer, dass Juncker ernsthaft daran denkt, die Kanzlerin mit dem Junktim "gutes Ressort nur gegen Frau" unter Druck zu setzen. Schließlich wäre der Luxemburger Ex-Regierungschef ohne Merkels Unterstützung nicht Spitzenkandidat der Europäischen Konservativen bei der Europawahl geworden. Das Ganze dürfte vor allem ein taktischer Schachzug sein: Juncker kann nicht alle anderen Hauptstädte zu weiblichen Kandidaten drängen - nur Berlin nicht.

Fest steht: Für Juncker könnte sich der Frauenmangel zu einem Problem entwickeln, wenn er ihn nicht beheben kann. Ende Oktober muss die gesamte Kommission vom Europäischen Parlament bestätigt werden. Zuvor wird jeder Kommissar von den Volksvertretern einzeln angehört. Die Abgeordneten haben bereits gedroht, Junckers Mannschaft durchfallen zu lassen, sollte sie nicht mehr Frauen haben als die bisherige - also mindestens zehn.

Zunächst muss der Luxemburger Ex-Premier aber morgen die Mehrheit der Abgeordneten für seine Wahl zum Kommissionschef hinter sich bringen. Das dürfte ihm gelingen: denn in den vergangenen Tagen ging er auf "Werbetour" durch die Fraktionen. Die Sozialdemokraten etwa köderte er mit der Aussicht auf den Posten des Währungskommissars. Der wacht über die Einhaltung der Euro-Stabilitätsregeln. Als möglicher Kandidat gilt Frankreichs Ex-Finanzminister Pierre Moscovici.

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