Wieder mal Ärger um den Pannen-Kommissar
Brüssel · Für Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ist die Sache längst geritzt. Zum Jahreswechsel hat der bisherige Digitalkommissar Günther Oettinger das Ressort Haushalt und Personalwesen von Kristalina Georgieva übernommen, die zur Weltbank wechselte. Auf der Webseite der Kommission wird er bereits als neuer Finanz-Mann geführt. Dabei stellt sich der frühere Ministerpräsident Baden-Württembergs erst am Montag einer Befragung in gleich drei Ausschüssen der EU-Volksvertretung.
In einem Brief Junckers an Oettinger vom Dezember war sogar nur von einer "Beratung" mit den Parlamentsmitgliedern die Rede gewesen, obwohl der frühere Digitalkommissar offiziell die Zustimmung des Parlaments braucht. Junckers voreilige Entscheidung löste denn auch Empörung in der Volksvertretung aus. "Dass die Kommission die Anhörung nicht abwartet, bevor sie Oettinger für die Ressorts benennt, grenzt an Missachtung des Parlaments", schimpfte gestern der SPD-Abgeordnete Jens Geier.
Der Patzer fügt sich in eine ganze Reihe von Fehltritten ein. Zehn Nichtregierungsorganisationen fordern die Abgeordneten daher in einem offenen Brief auf, gegen Oettinger zu stimmen. Der gebürtige Stuttgarter habe "mehrfach rassistische, sexistische und homophobe Bemerkungen gemacht", heißt es da. Gemeint ist sein jüngster verbaler Fauxpas: Ende Oktober sprach er bei einem Hamburger Unternehmertreffen abfällig über Chinesen, Frauen und Homosexuelle.
Im November folgte der nächste Skandal, als sich herausstellte, dass Oettinger einige Monate zuvor im Privatjet des Kreml-nahen Lobbyisten Klaus Mangold nach Ungarn geflogen war, um dort Premier Viktor Orbán zu treffen. Die Kommission sah darin jedoch keinen Verstoß gegen die hauseigenen Ethikregeln, wonach weder größere Geschenke angenommen noch Gespräche mit nicht offiziell bei der EU-Behörde registrierten Lobbyisten wie Mangold geführt werden dürfen. In dem offenen Brief an die Abgeordneten heißt es zudem, Oettinger habe sich "einseitig beraten lassen, fast 90 Prozent seiner Treffen waren mit Interessenvertretern von Unternehmen".
Dennoch genießt der Schwabe das Vertrauen von Kommissions chef Juncker. Bereits unter dessen Vorgänger José Manuel Barroso machte sich Oettinger als Ressortchef für Energie verdient, stieß auch unbequeme Themen an wie einen Stresstest für europäische Kernkraftwerke. 2014 machte ihn Juncker zum Digitalkommissar, wofür der mit dem Internet fremdelnde CDU-Mann viel Häme kassierte. Doch Oettinger arbeitete sich schnell ein und schreckte auch in der neuen Aufgabe nicht davor zurück, Unangenehmes anzusprechen. Etwa mit seinem Vorstoß, Verlagen eine Vergütung für ihre Online-Inhalte zu ermöglichen - zur Empörung der Netzgemeinde.
Dass er seinen neuen Posten verantwortungsvoll führen wird, dürfte außer Frage stehen. Oettinger gilt als fleißig und immer gut vorbereitet. Einfach wird die neue Aufgabe dennoch nicht. Denn mit dem bevorstehenden Brexit bricht Großbritanniens EU-Beitrag weg, das reißt ein Loch in die Haushaltsplanung. Ohnehin wird sich Oettinger vorsehen müssen, denn Junckers Geduld hat Grenzen. Und noch hat sich der Kommissionschef nicht entschieden, ob er den Schwaben - wie dessen Vorgängerin im Finanzressort - zum Vizepräsidenten krönen wird.