Europa auf der Weltbühne

Meinung · Europa steht, 20 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer, vor einem neuen Kapitel seiner Geschichte. Nachdem als letztes EU-Mitglied auch Tschechien dem Lissabon-Vertrag zugestimmt hat, betritt Europa die Weltbühne und bekennt sich zu einer Verantwortung, die der weltgrößten Wirtschaftsmacht schon lange zusteht

Europa steht, 20 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer, vor einem neuen Kapitel seiner Geschichte. Nachdem als letztes EU-Mitglied auch Tschechien dem Lissabon-Vertrag zugestimmt hat, betritt Europa die Weltbühne und bekennt sich zu einer Verantwortung, die der weltgrößten Wirtschaftsmacht schon lange zusteht. Dazu haben sich die 27 Staaten mit allem ausgestattet, was gebraucht wird: einem Präsidenten, einem Quasi-Außenminister samt militärischen Optionen. Ein Aspekt, der - nicht zu Unrecht - vielen Bürgern Angst macht. Sicher, Europa hat beim zweiten Irakkrieg gezeigt, dass es sich vom Einfluss der USA emanzipiert hat. Doch nun muss die Union beweisen, dass sie mit den Instrumenten, die man ihr an die Hand gegeben hat, verantwortungsvoll umzugehen versteht. Denn einen Schritt zurück gibt es nicht. Wie aber sehen die Schritte nach vorn aus?Die größte Aufgabe der Europäer unter den Politikern besteht darin, das Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen. Tschechiens allzu störrischer Präsident steht ja nicht alleine da. Zwei Mal scheiterte der Verfassungsentwurf, einmal seine Neufassung. Das Bundesverfassungsgericht musste tätig werden, jede Menge Ausnahmeklauseln waren nötig, um nationale Regierungen zur Zustimmung zu bewegen. Eine EU-weite Volksabstimmung wagte man nicht, sie wäre wohl verheerend ausgefallen. Das ist kein Glanzstück, sondern eher Flickwerk.Dennoch ist der Reformvertrag nötig, um beim globalen Verschieben der Gewichte nicht unter die Räder zu kommen. Europa muss den stärker werdenden Regionen in Fernost und Südamerika etwas entgegensetzen können. Und sei es nur seinen gewaltigen Markt von 500 Millionen Verbrauchern. Klimaschutz, Energiesicherheit, Flüchtlingswelle - wenn die EU-Staaten nicht zusammenhalten, werden sie gnadenlos überrollt. Der Vertrag allein wird allerdings gar nichts bewirken. Wenn es wirklich so etwas wie eine Lehre aus den vier Jahren des Ratifizierens und Scheiterns gibt, dann hat das Bundesverfassungsgericht sie ausgesprochen: Es diktierte dem Bundestag als nationaler Volksvertretung, sich selbst mehr um die Gemeinschaftspolitik zu kümmern. Denn tatsächlich ist die europapolitische Ignoranz der Politiker in den Mitgliedstaaten der Nährboden, auf dem die Skepsis der Bürgerinnen und Bürger und sogar einzelner Regierungsvertreter wuchern konnte. Der abgegriffene Satz "Europa geht uns alle an" hat an Aktualität gewonnen. Ganz gleich, wie gut oder schlecht man den Vertrag auch finden mag. Er ist das Gleis, auf dem die Union der Europäer in de Zukunft fahren wird.

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