Böse Überraschungen für die Schatzmeister

Berlin. Gut eine Woche alt ist der Koalitionsvertrag von Union und FDP. Und seither vergeht kein Tag, an dem nicht über die angepeilte Milliarden-Steuersenkung ab 2011 gestritten wird - also über die zweite Entlastungsrunde in etwas mehr als einem Jahr. Täglich droht mindestens einer der CDU-Landesfürsten mit Blockade im Bundesrat oder mit Verfassungsklage

Berlin. Gut eine Woche alt ist der Koalitionsvertrag von Union und FDP. Und seither vergeht kein Tag, an dem nicht über die angepeilte Milliarden-Steuersenkung ab 2011 gestritten wird - also über die zweite Entlastungsrunde in etwas mehr als einem Jahr. Täglich droht mindestens einer der CDU-Landesfürsten mit Blockade im Bundesrat oder mit Verfassungsklage. Oder Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dämpft Erwartungen und verweist nüchtern auf die Realitäten. Was dann regelmäßig FDP-Warnungen zur Folge hat, Verträge müssten eingehalten werden. Einen neuen Höhepunkt dürfte die hitzige Debatte am Donnerstag erreichen, wenn die Steuerschätzer ihre Einnahme-Prognosen 2009/2010 für Bund, Länder und Kommunen präsentieren. Fest steht schon jetzt, dass die schwarz-gelbe Koalition kaum zusätzlichen Spielraum für ihre Steuerpläne haben wird - weder in diesem noch im nächsten Jahr. Zwar fällt der Konjunktur-Einbruch 2009 weniger schlimm aus als befürchtet, und im kommenden Jahr dürfte die Wirtschaft stärker zulegen als bei der Steuerschätzung vom Mai angenommen. Zu erwarten wären also eigentlich Steuer-Mehreinnahmen. Doch Experten befürchten, dass Bund, Länder und Kommunen 2009 weniger kassieren könnten, als im Frühjahr - noch mitten in der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten - vorhergesagt wurde. Ein Grund: Das Aufkommen an gewinnabhängigen Steuern ist nicht so eng mit den gesamtwirtschaftlichen Eckdaten verknüpft. Dort müssen sich die Kassenwarte also auf negative Überraschungen einstellen. Steuerschätzer erwarten zudem, dass die Bruttolohn- und Gehaltssumme wegen der hohen Kurzarbeiterzahl sinkt - mit entsprechenden Folgen für die Lohn- und Umsatzsteuer. Mit Blick auf die anstehende Steuerschätzung ist zu beachten: Die von Schwarz-Gelb für 2010 angesetzte erste Steuersenkungsrunde, die Entlastungen für Familien, Erben, Firmen und Hoteliers im Umfang von etwa sieben Milliarden Euro bringen soll, wird der Schätzerkreis noch gar nicht einbeziehen. Gerechnet wird vielmehr auf Basis des geltenden Rechts. Die Aussagekraft der November-Schätzung ist demnach eher begrenzt. Die Planer des ganz großen Steuer-Wurfs, also der "möglichst für 2011" angestrebten Reform der Einkommensteuer mit weiteren Entlastungen, schielen deshalb längst auf die Langfrist-Schätzung im Mai nächsten Jahres.Politische Einflussnahme auf die Rechenkünstler des Arbeitskreises, der heute in Hamburg seine dreitägigen Beratungen aufnimmt, gibt es offenbar eher selten. "Es wird nicht politisch geschätzt", versichert ein Teilnehmer der illustren Runde. Ein paar Milliarden Euro mehr auf der Habenseite des Staates wären in der gegenwärtigen Lage ohnehin nicht mehr als der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Und viel Spielraum zum Tricksen haben die Steuerschätzer auch nicht - fürs laufende Jahr schon gar nicht. Weitgehend klar ist auch bereits jetzt, dass die Jahre 2009 und 2010 wohl in die Geschichte eingehen werden. Denn normalerweise steigen die tatsächlichen Steuereinnahmen letztlich immer - mal mehr, mal weniger als von den Schätzern erwartet. Seit 1950 musste der Staat nur vier Mal einen Rückgang gegenüber dem Vorjahr hinnehmen. Mit 2009 und 2010 dürften nun Fall fünf und sechs hinzukommen.

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