Die neue Galionsfigur der Euro-Gegner

Köln · Er gehört zur Familie der Nachtfalter und hat weiß-graue Flügel mit schwarzen Flecken: Schwarz und Weiß dominieren beim indonesischen Schmetterling „Bracca olafhenkeli“, und in ein Schwarz-Weiß-Schema wird auch sein Namensgeber gern einsortiert. Denn Hans-Olaf Henkel, Euro-Gegner und Ex-Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), fordert kategorisch das Ende der Gemein schaftswährung – anderenfalls werde Europa scheitern.

Nach seinem Eintritt in die Partei Alternative für Deutschland (AfD) wird er nun als deren Kandidat für die Europawahl gehandelt.

Die Benennung der damals neu entdeckten Schmetterlingsart war ein Geschenk, das die Leibniz-Gesellschaft ihrem scheidenden Präsidenten 2005 machte. Nun könnte Henkel ein spätes politisches Präsent erhalten: Als international tätiger Manager und langjähriger BDI-Chef sei der 73-Jährige "ein sehr überzeugender Kandidat", sagte der AfD-Vorsitzende Bernd Lucke. Für morgen haben beide zur gemeinsamen Pressekonferenz geladen.

Der jahrzehntelang parteilose Henkel galt eigentlich als FDP-nah, bevor er sich Ende 2011 zunächst den Freien Wählern in Bayern zuwandte und dann im Bundestagswahlkampf für die AfD warb. Dieser politische Kurs fernab der Volksparteien passt zum Lebenslauf des Wirtschaftsführers, der von Anhängern als hochbegabter Querdenker gelobt und von Gegnern als neoliberaler Ellenbogenmensch kritisiert wird.

Mit der Regierungspolitik ging der frühere IBM-Manager schon als BDI-Präsident von 1995 bis 2000 hart ins Gericht. Der in Hamburg geborene und als Halbwaise aufgewachsene Henkel, der den zweiten Bildungsweg absolvierte und anschließend Soziologie, Ökonomie und Betriebswirtschaft studierte, sah sich stets als Vordenker gegen verkrustete Strukturen in Politik und Wirtschaft. So galt er als scharfer Kritiker des Flächentarifvertrags und der finanziellen Belastungen für Unternehmen durch eine nach seiner Auffassung verfehlte Steuer- und Abgabenpolitik. Auch mit seinen als neoliberal kritisierten Thesen zur Zukunft des Sozialstaats machte sich der passionierte Schachspieler viele Gegner - in den Gewerkschaften, aber auch in der Politik. Der frühere CDU-Sozialexperte Heiner Geißler bezeichnete Henkel als "Klassenkämpfer von oben".

Nach seinen sechs Jahren an der Spitze des BDI nahm der in zweiter Ehe verheiratete Vater von vier Kindern eine Honorarprofessur an der Universität Mannheim an. Als streitbarer Talkshow-Gast schaltete er sich aber weiter in die Debatte über Gesellschafts- und Sozialpolitik ein. So beklagte er 2007 einen allgemeinen Linksruck in Deutschland: "Die Deutschen lieben die Freiheit nicht mehr." Auch die Europapolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisierte Henkel scharf. Den Euro-Rettungsschirm geißelte er als "gigantische Umverteilungskampagne von Wohlstand". Folgerichtig nahm Henkel die AfD von Beginn an gegen den Vorwurf rechter Gesinnung in Schutz. Man versuche, die Euro-Gegner an den rechten Rand zu schieben, sagte er am Tag nach dem AfD-Gründungsparteitag im vorigen April. Dies sei jedoch nur eine "übliche Methode" der etablierten Parteien.

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