Von Akzeptanz und Toleranz

Die Zeiten, in denen ein Politiker für den spöttischen Spruch „Lieber ein kalter Krieger als ein warmer Bruder“ (Franz Josef Strauß) grinsende Zustimmung erhielt, sind lange vorbei. Heute werden Homosexuelle öffentlich nicht mehr diskriminiert oder gar mit dem Strafgesetzbuch bedroht.

Sie sind vielmehr selbstbewusste Mitglieder der Gesellschaft geworden, bis in die Spitzen des Staates. Zu verdanken ist dieser Kulturwandel vor allem den Grünen, deren Kernthema (nach dem Umweltschutz) die diskriminierungsfreie Gesellschaft ist.

Diese Haltung, die grundsätzlich auch von anderen Parteien geteilt wird, ist aber nicht frei von Widersprüchen. Wer sich etwa der Forderung nach allumfassender Liberalisierung sexueller Konventionen nicht anschließen will, kann rasch selbst Opfer von Diskriminierung werden. Konservative Teile der Bevölkerung, die an der tradierten Auffassung von Ehe und Familie festhalten wollen und sich dabei auf das Grundgesetz (Artikel 6) berufen, müssen sich oft üble Beschimpfungen und "Shit storms" im Internet gefallen lassen. Dies lässt sich schwerlich mit den Kategorien von Respekt und Toleranz vereinbaren, die umgekehrt vehement eingefordert werden. Zur Logik von Akzeptanz gehört eben auch, dass sie freiwillig ist.

Symptomatisch für die Debatte um Schwule und Lesben steht das mediale Bohei um das Coming-out des Fußballers Thomas Hitzlsperger. Ein Bekenntnis, das im Polit- oder Kulturbereich längst Normalität erreicht hat, wird überschwänglich als Sensation gefeiert. Vor allem von Medien mit großen Buchstaben, die der Sexualisierung der Gesellschaft mit einer Themen-Gewichtung Vorschub leisten, die Schlüsselloch-Perspektiven geradezu als Geschäftsmodell erscheinen lassen.

Dass Politik und Gesellschaft diese libertäre Entwicklung in seltsamer Lethargie hinnehmen, ist Ausdruck von Resignation. Dies gilt auch für das stillschweigende Dulden von Pornografie im Netz, die für jedes Kind frei verfügbar ist, obwohl der Straf rechts-Paragraf 184 dies unmissverständlich untersagt. In solch einer prosexuell aufgeladenen Atmosphäre gedeihen dann auch Vorschläge von (linken) Bildungspolitikern, die "sexuelle Erfahrung des eigenen Körpers" und die "Akzeptanz sexueller Vielfalt" im Schulunterricht einzuführen. Ob dieser Vorstoß mitten in die Intimsphäre von Heranwachsenden tatsächlich im Interesse der Eltern (und der Kinder!) ist, scheint fraglich.

Lösen lässt sich das Dilemma nur, wenn die politische Klasse endlich ihrer Verantwortung gerecht wird und die Debatte über sexuelle Aufklärung oder Homophobie nicht nur den Lobby-Gruppen überlässt. Sondern zumindest versucht, sie in konsensuale Bahnen zu lenken. Dafür ist es höchste Zeit.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort