Der Präsidenten-Macher

Mit Frank-Walter Steinmeier nominiert die große Koalition einen honorigen Kandidaten für die Nachfolge von Bundespräsident Joachim Gauck . Steinmeier ist beliebt, er ist verlässlich, er hat große politische Erfahrung und strahlt die Würde aus, die dieses Amt besonders in schwierigen Zeiten benötigt.

Der Bundespräsident darf kein Grußonkel sein. Er muss mehr denn je Anstöße geben, die eine auseinanderdriftende Gesellschaft wieder zusammenführen - gerade in Zeiten, in denen allerorten die Spalter und Populisten auf dem Vormarsch sind. Steinmeier erwartet in Schloss Bellevue eine überaus komplizierte Aufgabe. Für deren Bewältigung hat er mit seiner Nominierung einen erheblichen Vertrauensvorschuss bekommen, ab Februar muss er liefern.

Die große Koalition steht in dieser Angelegenheit jetzt zusammen. Der Weg dahin war freilich mühevoll, weil die Suche nach einem neuen Präsidenten sehr unglücklich mit dem heraufziehenden Bundestagswahlkampf zusammenfiel. Und da enden die Gemeinsamkeiten bekanntlich. SPD-Chef Sigmar Gabriel führte die CDU-Vorsitzende Angel Merkel am Nasenring durch die Präsidenten-Manege. Aus Sicht der Genossen war es taktisch klug, die Union mit dem Personalvorschlag frühzeitig unter Druck zu setzen. Das Ergebnis ist für Gabriel ein lang ersehnter Erfolg, der ihm auf dem Weg zur eigenen Kanzlerkandidatur nachhaltig nützen wird. Zwar heißt es bei der Union verärgert, der SPD-Chef habe durch seinen Vorstoß Spielräume verbaut, einen wirklich überparteilichen Anwärter aus der Mitte der Gesellschaft zu finden. Dennoch steht fest: Er ist der Gewinner dieses Pokers. Gabriel ist jetzt der Präsidentenmacher.

Bei Merkel sieht das anders aus. Als Kanzlerin hätte sie das Recht zum ersten Schachzug gehabt, aber sie fand keine geeignete Persönlichkeit, um in die Offensive gehen zu können. Zum dritten Mal macht sie in der Präsidentenfrage alles andere als eine gute Figur. Horst Köhler war dem Amt nicht gewachsen, Christian Wulff auf seine Art ebenso. Beide waren Merkels Wahl. Und Joachim Gauck akzeptierte die Kanzlerin 2012 nur, weil sie auch damals keinen anderen Kandidaten hatte. Sicher, diesmal lag es auch daran, dass geeignete Parteifreunde wie Norbert Lammert und neutrale Anwärter wie der Präsident des Verfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle , absagten. Das alles zeigt allerdings, wie dünn die Personaldecke und der Einfluss der Union geworden sind, wenn es darum geht, hohe Ämter zu besetzen. Dafür trägt Merkel die Verantwortung.

Was sich aber viele gewünscht hatten, zum ersten Mal eine Frau im Schloss Bellevue oder jemanden, der speziell auch politikferne Schichten anspricht - das wird es nun nicht geben. Dafür hat offenbar der politische Wille aller gefehlt. Und das darf man durchaus bedauern.

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