Ein zweites Kapitel für Gauck?

Berlin · Im Februar 2017 trifft sich die Bundesversammlung zur Wahl eines Staatsoberhauptes. SZ-Redakteurin Iris Neu hat bei einigen Saarländern nachgefragt, was sie von einer zweiten Amtszeit Gaucks halten würden.

 Im April 2013 besuchte der Bundespräsident das Saarland. Im Weltkulturerbe Völklinger Hütte trugen sich Joachim Gauck und seine Partnerin Daniela Schadt ins Besucherbuch ein. Mit dabei: der damalige saarländische Wirtschaftsminister Heiko Maas, Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer und Welterbe-Chef Meinrad Maria Grewenig (rechts). Foto: Becker&becker

Im April 2013 besuchte der Bundespräsident das Saarland. Im Weltkulturerbe Völklinger Hütte trugen sich Joachim Gauck und seine Partnerin Daniela Schadt ins Besucherbuch ein. Mit dabei: der damalige saarländische Wirtschaftsminister Heiko Maas, Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer und Welterbe-Chef Meinrad Maria Grewenig (rechts). Foto: Becker&becker

Foto: Becker&becker

Am 24. Januar wird Joachim Gauck 76 Jahre alt, so alt wie kein Bundespräsident vor ihm. Einiges spricht dafür, dass er sich bis heute noch nicht entschieden hat, ob er für eine zweite Amtszeit antritt. Ausgeschlossen ist es nicht. Darum gebeten wurde er wiederholt, aber vielleicht macht er seine Zukunft auch von der politischen Entwicklung abhängig, von der Bewältigung der Flüchtlingskrise und davon, wie stark der gesellschaftliche Zusammenhalt in Deutschland gefährdet ist. Sich verabschieden in schwierigen Zeiten, das liegt ihm nicht. Seine Mitarbeiter und begleitende Journalisten erlebten in den letzten Monaten einen gelassenen und meist gut gelaunten Präsidenten. Gesundheitliche Beschwerden, etwa mit dem Rücken oder den Knien bei stundenlangen Empfängen oder Defilés, scheinen im Griff. Er ist populär, ebenso wie seine Lebensgefährtin Daniela Schadt , die eine beliebte und bürgernahe First Lady ist.

Am 18. März ist Gauck vier Jahre im Amt. Im Februar 2017 tritt die Bundesversammlung zur Wahl eines Staatsoberhaupts zusammen. In Berlin heißt es, es sei guter Brauch, ein Jahr vor der Wahl Klarheit über eine erneute Kandidatur zu schaffen. Daran hat sich aber auch nicht jeder von Gaucks Vorgängern gehalten.

Wichtiger: Am 13. März wird in drei Bundesländern gewählt, womit die innenpolitischen Konstellationen und die Kräfteverhältnisse in der Bundesversammlung noch einmal neu justiert werden. Wahrscheinlich ist deshalb eine Entscheidung Gaucks nach dem Wahltag, aber noch vor der Sommerpause.

Bisher sieht es so aus, als stünden alle drei Fraktionen, die Gauck 2012 gewählt haben, auch hinter einer zweiten Amtszeit. Politiker von Union, SPD und Grünen haben den Ex-Pastor aus Rostock wiederholt aufgefordert, noch einmal anzutreten. Auch die Kanzlerin könnte - ungeachtet ihres anfänglichen Widerstands gegen den Mann aus dem Osten - mit einer zweiten Amtszeit leben.

Die Alternative wäre ein langwierige und komplizierte Debatte über einen Nachfolger und über das Bündnis, das ihn trägt. Wäre eine grüne Kandidatin, etwa Katrin Göring-Eckardt , das sichere Signal für eine schwarz-grüne Koalition in Berlin ? Wäre ein SPD-Präsident Frank-Walter Steinmeier den Unions-Abgeordneten zu vermitteln? Auch der hessische CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier laufe sich schon warm, heißt es.

Im Präsidialamt gibt es manche, die fürchten sich vor Langeweile, wenn Gauck es noch einmal macht. Und andere, denen steckt die bittere Erfahrung des Doppelrücktritts, zunächst Horst Köhlers 2010 und dann Christian Wulffs 2012, noch in den Knochen. Sie sind froh über Kontinuität. Tatsächlich kann man aber fragen, was denn die Botschaft der nächsten fünf Jahre aus dem Schloss Bellevue sein soll.

Gauck kann mit der ersten Amtszeit zufrieden sein. Vor allem sein Aufruf, Deutschland müsse mehr Verantwortung in der Welt übernehmen, notfalls auch militärisch, war wegweisend und ist immer noch aktuell. Auch deshalb waren internationale Begegnungen für Gauck immer wichtig, auch wenn er den Satz seines Vorgängers Wulff nicht unterschreiben würde, Außenpolitik mache 60 Prozent der Arbeit eines Bundespräsidenten aus.

Eine Russland-Reise, aus vielen Gründen heikel für den Ex-DDR-Pastor, wird es wohl in dieser Amtszeit nicht mehr geben. Aber China, schon im letzten Jahr erwartet, könnte 2016 nun angesteuert werden. Auch Afrika steht wohl erneut auf dem Programm, und Uruguay hat Gauck den Besuch fest versprochen, den er 2015 wegen des Germanwings-Absturzes in den Alpen absagen musste.

"Dies ist ein gutes Deutschland, das beste, das wir kennen." Wenn man einen und nur einen Satz aus den vielen Reden herausfischen möchte, dann ist vielleicht dieser, vor der Münchner Sicherheitskonferenz im Januar 2014 gesprochen, der wichtigste. Die Konsequenz daraus: Deutschland darf sich nicht wegducken, auch nicht mit Hinweis auf seine grauenvolle Vergangenheit. Pazifismus ist für ihn keine ernst zu nehmende Haltung.

Seit der Flüchtlingszuzug über die Balkanroute Deutschland mit ungeahnter Wucht erfasst hat, ist nun dies das alles beherrschende Thema - auch für den Bundespräsidenten. Von "Dunkeldeutschland" sprach er angesichts fremdenfeindlicher Gewalt, aber er hat auch eher als andere vor naivem Optimismus gewarnt. "Unser Herz ist weit. Doch unsere Möglichkeiten sind endlich", sagte er am 3. Oktober, dem Tag der deutschen Einheit. Und in seiner Weihnachtsansprache billigte er ausdrücklich auch politischen Meinungsstreit in der Flüchtlingsfrage .

Trotz aller Unsicherheit in der Bevölkerung bleibt Gauck aber dabei: "Dies ist ein gutes Deutschland." Die Freiheit, die er so gerne preist, ist vor allem Verantwortung - gegenüber den Mitbürgern, den Flüchtlingen, gegenüber Europa und den Krisen der Welt. Das ist und bleibt seine Kern-Botschaft. Den Deutschen helfen zu erkennen, was sie können und wer sie sind, das ist seine Mission. Vielleicht bis 2022.

Meinung:
Das Alter ist kein Kriterium

Von SZ-Redakteurin Iris Neu

Als Schimon Peres Präsident Israels wurde, war er bereits 84 Jahre alt. Sieben Jahre blieb der Friedensnobelpreisträger im Amt - hoch geschätzt selbst von vielen seiner Gegner im eigenen Land. Noch mit gut über 90 Jahren vertrat er den Staat mit einer Würde und Noblesse, die ausgleichend wirkte nach außen wie nach innen. Joachim Gauck ist mit bald 76 Jahren der bisher älteste Bundespräsident. Ist aber Alter ein Kriterium? Kaum, sofern der Kandidat nicht unter schwereren gesundheitlichen Einschränkungen leidet und sich dem Amt körperlich und geistig gewachsen fühlt. In der Regel nimmt man gerade einem älteren Menschen Lebensweisheit und Urteilskraft ab. Gauck ist ein überzeugendes Beispiel dafür. Er doziert nicht vom Elfenbeinturm aus, wirkt nahbar, lebt, fühlt, denkt im Hier und Jetzt. Als Querkopf wäre er eine Fehlbesetzung im Amt, dennoch hält er mit seiner Meinung nicht hinterm Berg. Das Pastorale indes konnte er bis heute nicht ganz ablegen - die meisten stört es aber inzwischen nicht mehr. Kontinuität im Präsidialamt wäre zudem wünschenswert in einer Zeit weltweiter Erschütterungen und Unwägbarkeiten. Die Entscheidung jedoch, den Kraftakt erneut zu wagen, kann letztlich nur Gauck selber treffen.

"Noch immer eine klare Haltung"


Im Februar 2017 trifft sich die Bundesversammlung zur Wahl eines Staatsoberhauptes. SZ-Redakteurin Iris Neu hat bei einigen Saarländern nachgefragt, was sie von einer zweiten Amtszeit Gaucks halten würden.

Wendelin von Boch-Galhau , Unternehmer: "Ich halte Joachim Gauck für einen außerordentlich guten Bundespräsidenten. Er ist authentisch, seine Statements sind klug und glaubwürdig, aber zugleich auch sensibel in allen kritischen Fragen. Er findet immer den richtigen Ton. Ich würde mir ihn als Bundespräsidenten für eine weitere Amtsperiode wünschen."

Detlev Schönauer , Kabarettist: "Bei Gaucks Wahl zum Bundespräsidenten erhoffte ich mir durch einen "Mit-Revolutionär" der Wende einen unerschrockenen, kämpferischen Geist. Davon wurde zwar vieles der Staatsraison geopfert, trotzdem danke ich ihm für seine oft immer noch klare Haltung. Ich kann mir für ihn eine zweite Amtszeit durchaus vorstellen - immerhin hatten wir schon einige schlechtere Bundespräsidenten."

Anke Rehlinger (SPD ), saarländische Wirtschaftsministerin: "Ich schätze seine Arbeit und sein Auftreten sehr. Nach dem Begriff der Freiheit stellt er jetzt wie in der Flüchtlingsfrage das Miteinander in den Vordergrund. Das passt sehr gut in die Zeit. Nicht nur deshalb hat er für mich auf jeden Fall die Option, 2017 nochmal anzutreten. Er hat aber auch ein Recht darauf, die Entscheidung dann zu fällen, wenn er es für richtig hält."

Hubert Ulrich , Chef der Saar-Grünen: "Einer erneuten Kandidatur von Joachim Gauck steht aus unserer Sicht nichts entgegen. Er hat das Amt des Bundespräsidenten in den vergangenen Jahren stets mit der gebotenen Würde ausgeübt und auch bei brisanten politischen Themen meist die richtigen Worte gefunden."

Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU ), Ministerpräsidentin des Saarlandes: "Joachim Gauck ist ein guter und sympathischer Repräsentant unseres Landes. Er trifft in den verschiedensten Momenten den richtigen Ton. Das habe ich bei diversen Terminen in Deutschland und Frankreich selbst miterleben dürfen. Die Menschen haben Vertrauen zu ihm gefasst. Deshalb würde ich mich freuen, wenn er weitermacht."

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