Grünes (Un-)Vermögen

Sind die Grünen noch zu retten? Da brodelt es überall auf der Welt. Türkei, Syrien, Afghanistan. In den USA gewinnt ein Rechtspopulist und Hetzer die Wahl, und in Europa wirkt der Brexit weiter nach. Aber die deutschen Grünen haben offenbar keine anderen Sorgen, als sich auf ihrem Parteitag in Münster ideologisch verbissen an der Vermögenssteuer abzuarbeiten. Dabei wäre ein knappes Jahr vor der nächsten Bundestagswahl genügend Zeit gewesen, über die wichtigen Herausforderungen zu reden. Beispielsweise darüber, wie die tatsächlich oder gefühlt Abgehängten in der Gesellschaft überhaupt noch zu erreichen sind. Der Frust über "die da oben" wabert ja auch hierzulande. Und die Grünen, egal, wie "unbequem" sie sich auch geben, sind Teil des Establishments.

Noch scheint die Lage der Partei komfortabel zu sein. Mittlerweile regiert man in zehn von 16 Bundesländern mit. Die Hauptstadt Berlin dürfte in Kürze dazu kommen. Aber im Bund treten die Grünen auf der Stelle. Noch vor jeder Bundestagswahl seit 2005 hatten sie große Träume. Doch dreimal in Folge wurde man kleinste Oppositionspartei. Noch hinter der Linken. Was läuft da schief? Auch darüber hätte sich in Münster zu reden gelohnt. Stattdessen gefiel man sich in Umverteilungsbeschlüssen, die schon 2013 der Verlierer waren. Immerhin hat die Partei jetzt auf nähere Details verzichtet. Wer weiß schon, wo der Superreichtum beginnt und ob sich die Neuauflage einer Vermögenssteuer mit der Verfassung verträgt. Aber ein straff linkes Programm bleibt es allemal. Davon zeugen auch die Forderungen nach Abschaffung des Ehegattensplittings und der Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger.

Durchsetzen könnten die Grünen ihre Forderungen nur mit den Sozialdemokraten und den Linken. Aber bei Koalitionsaussagen ist die Partei ein gebranntes Kind. Mehrfach hat sie auf die rot-grüne Karte gesetzt und stets verloren. Sollte es bei der Bundestagswahl rechnerisch nur für ein schwarz-grünes Bündnis reichen, müssten die Grünen erklären, warum ihr Programm doch nicht so ernst gemeint war. Denn mit CDU und CSU ginge da kaum etwas. Oder die Grünen müssten zum vierten Mal hintereinander in die Opposition.

Alles ist möglich. Auch deshalb, weil sich die ganze Auseinandersetzung mit dem Rechtspopulismus 2017 auf Angela Merkel zuspitzen könnte und die Grünen dann vielleicht kaum noch politisch durchdringen. Nur Träumer können da von einer komfortablen Situation sprechen. Immerhin haben die Grünen mit der Ökologie einen unverwechselbaren Markenkern. Der ist, nüchtern betrachtet, weder rechts noch links. Auf diesen Markenkern sollten sich die Grünen im Wahlkampf konzentrieren, anstatt sich an der kniffligen Frage der Steuergerechtigkeit erneut die Finger zu verbrennen.

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