Der Bund wird zahlen – und trotzdem gewinnen

Saarbrücken · Knapp zwei Monate nach der überraschenden Einigung der Bundesländer auf einen neuen Länderfinanzausgleich wird immer deutlicher, dass die 16 Regierungschefs die Rechnung ohne den Wirt gemacht haben.

Denn das Modell der Länder funktioniert nur, wenn der Bund ab 2020 gut eine Milliarde Euro mehr zur Verfügung stellt, als er zugesagt hat. Auf diese Weise werden die finanzstarken Bundesländer entlastet, vor allem Bayern profitiert. Man kann darin einen Systemwechsel sehen: Die armen Länder sind künftig nicht mehr von den reichen Ländern abhängig, sondern vom Bund.

Dagegen gibt es massiven Widerstand im Bundestag. Das eigentliche Problem, heißt es in der SPD-Fraktion , seien gar nicht einmal die 1,2 Milliarden Euro, die der Bund ab 2020 drauflegen müsste, sondern der Systemwechsel und die langfristigen Kosten für den Bund. Ein CDU /CSU-Fraktionssprecher fasste die Position mit den Worten zusammen, der auf dem Tisch liegende Ländervorschlag sei für den Bund nicht nur teuer; er stelle auch keine strukturelle Verbesserung gegenüber dem Status quo dar.

In der saarländischen Landesregierung schrillen die Alarmglocken. Finanzminister Stephan Toscani (CDU ) warnte gestern davor, das in zwei Jahren mühsam ausgehandelte Kompromisspaket der Länder wieder aufzuschnüren. Das berge große Gefahren für das Saarland, weil es den Verhandlungserfolg von Dezember - Sanierungshilfen von jährlich 400 Millionen Euro - infrage stelle. Ein wichtiges Element des Kompromisses sei, dass die originäre Finanzkraft der finanzschwachen Länder steige, ohne dass die finanzstarken Länder aus ihren Haushalten mehr abgeben müssten. Der Beitrag des Bundes sei "nicht verhandelbar".

Die Kritik aus den Bundestagsfraktionen wertete er als deutlichen Hinweis, dass die Ländervertreter noch Überzeugungsarbeit leisten müssten, "insbesondere" die saarländischen Vertreter im Bundestag. Linken-Fraktionschef Oskar Lafontaine beklagte gestern eine "erschreckende Einflusslosigkeit der Saar-Parteien CDU und SPD auf Bundesebene".

Als Ausweg zeichnet sich derzeit ab, dass die Bundesländer im Gegenzug für ein finanzielles Entgegenkommen des Bundes Kompetenzen an den Bund abtreten. Toscani nannte diese Möglichkeit gestern explizit, um in den Verhandlungen Spielräume zu schaffen. Die Grünen forderten, das Saarland solle sich verhandlungsbereit zeigen: Mehr Kompetenzen des Bundes in der Bildungspolitik eröffneten etwa die Chance, dass er sich künftig stärker an der Finanzierung im Vorschul- und Schulbereich beteiligt. Auch eine Bundessteuerfahndung könne wegen des hiesigen Personalmangels fürs Saarland von Vorteil sein.

Die Kehrseite wäre indes, dass die Bundesländer "immer stärker zu Verwaltungsprovinzen des Bundes werden", wie es der Magdeburger Föderalismus-Experte Professor Wolfgang Renzsch formuliert. Weshalb der Bund auch kein richtiges Interesse daran haben könne, die Nummer noch platzen zu lassen. "Er müsste zwar mehr zahlen, aber machtpolitisch wäre er eindeutig der Gewinner", sagt Renzsch. Mehr Kompetenzen für den Bund, etwa beim Autobahn-Bau, gingen "an die Substanz der Länder". Am Ende, sagt ein CDU-Bundestagsabgeordneter, werde die Frage ohnehin "von oben" entschieden - und die Bundestagsfraktion sich dem fügen: "Der Länderfinanzausgleich ist keine Gewissensfrage."

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