Das Drama von Hannover

Meinung · Vor zehn Jahren war Christian Wulff der strahlende Held, ein Jung-Siegfried der CDU mit Perspektive Kanzleramt. Vor einem Jahr war Wulff ein durch die Mangel gedrehter Bundespräsident, der in einer öffentlichen Schlammschlacht mit den Medien den Kürzeren zog

Vor zehn Jahren war Christian Wulff der strahlende Held, ein Jung-Siegfried der CDU mit Perspektive Kanzleramt. Vor einem Jahr war Wulff ein durch die Mangel gedrehter Bundespräsident, der in einer öffentlichen Schlammschlacht mit den Medien den Kürzeren zog. Heute ist Wulff nur noch ein zerzauster Mensch, und die Trennung von Gattin Bettina das spektakuläre Ende einer dramatischen Entwicklung: Ansehen weg, Amt weg, Frau weg.So tief gestürzt wie dieser ehemalige Sonnyboy, der als perfekter Schwiegermuttertraum galt, ist allenfalls noch der frühere Kieler Regierungschef Uwe Barschel vor 25 Jahren. Wulff hatte nahezu alles, was die aufsteigende Generation von "Kohls Enkeln" auszeichnete: Ehrgeiz, Intelligenz, Eloquenz und zudem noch eine telegene Erscheinung mit tadellosen Manieren. Ein Mann, wie geschaffen für hohe und höchste Aufgaben. Tatsächlich hat ihm die Politik alles gegeben. Die Politik hat ihm aber auch alles wieder genommen.

Nun schlägt die Stunde der Kaffeesatzleser. Viele haben schon vor Jahresfrist gemunkelt, der aus kleinen Verhältnissen stammende Wulff habe den Aufstieg an die Spitze des Staates nicht verkraftet, habe sich vom gleißenden Scheinwerferlicht der Medien blenden lassen. Richtig daran ist, dass der verliebte Wulff nicht gemerkt hat, dass die von ihm inszenierte Staats-Oper immer mehr zur Operette geriet. Doch das ist kein Vergehen. Sein Wechsel von der braven Ehefrau Christiane zur glamourösen Nachfolgerin Bettina war privat, normal in einer Welt der Lebensabschnittspartnerschaften. Politisch wurde der Fall Wulff erst, als Informationen über die Geldnöte des prominenten Politikers lanciert wurden. Von da an ging's bergab.

Allerdings, und dieser brisante Aspekt wabert (zu sehr) im Hintergrund, ist bis heute unklar, ob die Vorwürfe, denen sich das zum Rücktritt genötigte Staatsoberhaupt ausgesetzt sah, für eine Anklage überhaupt ausreichen. Ob der immense Aufwand mit 24 Sonder-Ermittlern, 100 Zeugen, 20 000 Seiten Akten und zwei Millionen Euro Kosten angemessen ist. Wieso immer wieder Interna aus den Akten an die Öffentlichkeit gelangen - und welche Rolle dabei Wulffs alter Rivale, Niedersachsens Justizminister Bernd Busemann, spielt. Gerade die juristisch und politisch noch offenen Fragen machen die Trennung des Ehepaars Wulff zur persönlichen Tragödie eines Mannes, der sich nicht nur in der Hartnäckigkeit der Medien getäuscht hat. Sondern offenbar auch in seiner großen Liebe Bettina, deren kühle Distanz nicht erst seit ihrem peinlichen Buch "Jenseits des Protokolls" publik wurde.

Was bleibt, ist die schale Erkenntnis, dass in dem öffentlichen Drama von Hannover - das noch nicht zu Ende ist - alle verloren haben. Und zwar grandios.

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