Studenten dürfen bleiben Etwas Beruhigung aus Brüssel im Brexit-Chaos

Brüssel · Geht am Morgen nach dem Brexit wirklich kein Flug mehr? Bleiben die Eurostar-Züge in Paris und Brüssel stehen? Seit Monaten arbeitet ein Experten-Team der Europäischen Kommission an Übergangsregeln – teils mit, teils ohne Mitwirkung der Briten.

Inzwischen hat die EU für viele Fragen Antworten gefunden. Der Luftverkehr bekommt die Genehmigung, weitere neun Monate wie bisher abgewickelt zu werden. Die Züge zwischen dem Kontinent und der Insel dürfen mit den heutigen Zertifikaten weiter fahren.

Und für den Lkw-Verkehr wurden ebenfalls Übergangsbestimmungen erlassen. Brüssel hat die Mitgliedstaaten aufgefordert, ihre Zollbeamten anzuweisen, für ein weiteres Dreivierteljahr alle bisherigen Ein- und Ausfuhrbestimmungen anzuerkennen. Am heutigen Dienstag beschließt das EU-Parlament außerdem Ausgleichszahlungen für Fischer, denen Verluste drohen, wenn sie nicht mehr in britischen Hoheitsgebieten ihre Netze auswerfen dürfen. Wenn es schon einen Brexit ohne Deal geben würde, soll es wenigstens kein sofortiger harter Bruch werden.

In den kommenden Tagen werden nun weitere Bestimmungen folgen, die das Parlament in Straßburg genehmigen muss. Sie betreffen im Falle eines Brexit ohne Austrittsvertrag jene 14 000 jungen Europäer, die sich gerade als Stipendiaten des Erasmus-Programms in Großbritannien aufhalten. Einbezogen sind aber auch jene 7000 Studenten und Auszubildende aus dem Vereinigten Königreich, die an einer Hochschule oder in einem Betrieb in einem der 27 EU-Länder lernen. Für sie gilt: Wer seinen Erasmus-Aufenthalt vor dem Brexit-Datum begonnen hat, darf bleiben. Eine entsprechende EU-Verordnung, die in London bestätigt wurde, wird am 25. März in Kraft treten, um Sicherheit zu schaffen. Für alle, die nach dem 1. April – beziehungsweise einem späteren Datum – starten wollten, herrscht dagegen große Unsicherheit.

Petra Kammerevert (SPD), die das Erasmus-Projekt im Parlament betreut, sagt: „Sie sollten lieber umplanen.“ Das werde nach ihren Worten auch beim Deutschen Akademischen Austauschdienst so gesehen, dem hiesigen Koordinator für Erasmus-Teilnehmer. Dort weiß man aber auch: Studenten, die im Rahmen von bilateraler Zusammenarbeit zwischen Unis im jeweils anderen Staat sind, droht eine unklare Zukunft. Vor allem jenen, die erst im Herbst nach Großbritannien gehen wollten, rät Kammerevert: „Suchen Sie sich lieber eine Hochschule in einem anderen Land.“

Ob das Königreich nach einem Bre­xit weiter an Erasmus teilnimmt, ist offen – zumal London dann entsprechende Beiträge zu zahlen hätte. Dabei müsste die Regierung auf der Insel eigentlich daran interessiert sein. Denn die Union stockt die bisherigen Mittel für das „erfolgreichste Programm der Gemeinschaft“ (Kammerevert) von derzeit 14,7 Milliarden Euro für die auslaufende siebenjährige Finanzperiode auf das Doppelte auf. Die Teilnehmerzahlen sollen sogar verdreifacht werden – eine Rechnung, die nur dann aufgeht, wenn die EU die Zuschüsse für die einzelnen Studenten, Schüler, Azubis und Lehrer spürbar kürzt. Das gilt in Brüssel und Straßburg aber als undenkbar, weil damit das Risiko wachsen würde, dass noch weniger junge Europäer, die kaum Eigenmittel beisteuern, ins Ausland wechseln können.

Unbegreiflich ist und bleibt vor allem aber das Chaos der politischen Kräfte in Großbritannien. Viele Tausend junge Menschen werden umplanen müssen, obwohl sie darauf gebaut haben, mit einem Auslandssemester etwas für ihre berufliche Perspektive tun zu können. Nun geraten die, die ihren Aufenthalt noch nicht begonnen haben, zwischen die Mühlen einer Politik, die unfähig ist, das Interesse ihrer eigenen Landsleute an die vorderste Stelle des Handelns zu stellen. Es ist eine nur schwer nachvollziehbare Form, die junge Generation vor den Kopf zu stoßen. Denn nichts weniger geschieht hier gerade.

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