Pro und Contra Soll der Karneval ins Wasser fallen?

Berlin/Saarbrücken · Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will den Karneval absagen, die Vereine wollen das närrische Treiben stattfinden lassen, wenn auch unter Auflagen. Unsere Autoren nähern sich dem kontroversen Thema von zwei Seiten.

 Karneval in einer Pandemie: kann das gut gehen?

Karneval in einer Pandemie: kann das gut gehen?

Foto: dpa/Fernando Llano

Pro Absage: Keine Feier ohne Virus, von Stefan Vetter

Jens Spahn steht nicht im Verdacht, ein Karnevalsmuffel zu sein. Das verbietet sich schon kraft seiner geographischen Herkunft: Nordrhein-Westfallen gilt gemeinhin als Epizentrum der närrischen Jahreszeit. Spahn selbst war einst sogar Kinderprinz. Wenn er nun trotzdem die Debatte über eine Absage der sonst üblichen Karnevalsrituale angeschoben hat, dann nicht als Jeck, sondern als besorgter Bundesgesundheitsminister.

Tatsächlich verbindet sich mit Karneval, Fastnacht oder Fasching so ziemlich alles, was das Corona-Virus in Verzückung versetzt. Bützen, schunkeln, feiern und trinken - manchmal auch, bis buchstäblich der Arzt kommt. Das ist in einer Pandemie wirklich kaum vorstellbar. Covid 19 würde kräftig mitfeiern. So wie übrigens schon am Ende der letzten Karnevalssession, die mit dem Beginn der Seuche in Deutschland zeitlich zusammen fiel. Seinerzeit avancierte der Kreis Heinsberg zum Corona-Hotspot. Auslöser war eine Karnevalssitzung. Betroffene sprachen von einem „Brandbeschleuniger“.

Nun kann man einwenden, dass bis zu den nächsten tollen Tagen noch einige Zeit ins Land geht und die Zahl der Infizierten dann ganz anders aussehen könnte als jetzt, da sie täglich steigt. Doch ist das wirklich realistisch? Mit den kalten Temperaturen wird sich das Leben unweigerlich wieder in die Innenräume verlagern. Das erhöht das Infektionsrisiko. Abstand halten und Maske tragen sind dann erst recht geboten. Karneval und Abstand ist jedoch ein Widerspruch in sich. Und weil ein Impfstoff nicht vor dem nächsten Jahr zu erwarten ist, wird sich dieser Widerspruch in der kommenden Session auch nicht in Wohlgefallen auflösen.

In Bayern wurde bereits schweren Herzens das Oktoberfest abgesagt, in anderen Breiten auch schon der Weihnachtsmarkt. 1991 fiel Karneval wegen des Golf-Krieges aus. Der Frohsinn in Sälen und auf Plätzen kann durchaus pausieren.

Pro und Contra zu Absage von Karnevall nach Äußerung von Jens Spahn
Foto: SZ/Robby Lorenz

Contra Absage: Das ist doch jeck, von Hagen Strauß

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn scheint jeck geworden zu sein. Den Karneval kann man nicht einfach absagen, genauso wenig wie Weihnachten und Ostern. Wenn überhaupt, kann man Karnevalsveranstaltungen ausfallen lassen. Mehr aber auch nicht.

Klar, jetzt werden viele sagen, wie soll das gehen, Bützchen hier, Geschunkel dort, in Corona-Zeiten werden die Narren und Narrhalesen dann zu Super-Spreadern. Doch gemach: Die Session beginnt am 11.11., das sind noch gut drei Monate. Der Rosenmontag ist dann im kommenden Jahr am 15. Februar, das sind noch sechs Monate. Auch wenn Experten glauben, dass es im Herbst zu einem erneuten Anstieg der Fallzahlen kommen könnte, kann keiner genau sagen, wie sich das Infektionsgeschehen bis dahin tatsächlich entwickeln wird. In der Corona-Krise hat sich auch schon so manche Prognose als falsch erwiesen. Und wer weiß, wie weit die Wissenschaft bis dahin in Sachen Impfstoff ist. Erste Erfolgsmeldungen gibt es ja bereits.

Pauschal daher den Karneval „abzusagen“, ist voreilig. Es gilt sozusagen das Bundesliga-Prinzip: Die Vereine sind gefordert, sich Konzepte zu überlegen, die die Einhaltung von Hygiene- und Abstandsregeln möglich machen. Nicht alles, was den Jecken lieb ist, wird dann noch an Festivitäten möglich sein. Das liegt auf der Hand. Proppevolle Innenstädte, weil „de Zoch kütt“, sind dann eher unwahrscheinlich. Aber Fantasie und Kreativität sind gefragt, jeweils angepasste Lösungen, die dann auch einen Teil des Karnevals retten können.

Pro und Contra zu Absage von Karnevall nach Äußerung von Jens Spahn
Foto: SZ/Robby Lorenz

Wer nun anführt, wegen des Alkohols fallen ohnehin alle Schranken, der müsste auch die Kneipen wieder schließen. Denn was sich zur späten Stunde mitunter dort abspielt, kommt dem Karnevalstreiben schon sehr nahe. Insofern gilt daher auch im Fasching, was in Corona-Zeiten immer gegolten hat: Leichtsinn ist fehl am Platz, Eigenverantwortung zählt.

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