Leitartikel Die Länder stehen bei der Pflege in der Pflicht

Eigentlich sollte in diesen Tagen ein ausgefeiltes Regierungskonzept zur nachhaltigen Finanzierung der Pflegeversicherung vorgelegt werden. So hatte es der zuständige Minister Jens Spahn zu Jahresbeginn angekündigt.

 Stefan Vetter

Stefan Vetter

Foto: SZ/Robby Lorenz

Doch dann kam Corona, und die Sache verschwand in der Versenkung. Das Problem hat sich freilich nicht verflüchtigt. Das zeigen aktuelle Daten, die von einem satten Kostenschub zulasten der Pflegebedürftigen in den Heimen künden. Erstmals hat ihr Eigenanteil im bundesweiten Schnitt die 2000-Euro-Marke durchbrochen. Pro Monat wohlgemerkt. Hält der Trend an, werden immer mehr Betroffene zum Sozialfall. Dabei war die Pflegeversicherung einst auch mit dem Ziel angetreten, genau das zu verhindern.

Die Ursachen für diese Entwicklung sind vielschichtig. Dass sich die Pflegeversicherung nur als eine Art Teilkasko versteht, dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben. Weniger bekannt ist, dass auf Heimbewohner Kosten abgewälzt werden, für die ganz andere zuständig sind. Nach dem Sozialgesetzbuch fallen Planung und Förderung der Pflegeeinrichtungen inklusive der dafür notwendigen Investitionen in die Verantwortung der Länder. Doch in der Praxis steht es schlecht damit. Würden alle Länder ihrer Verpflichtung vollständig nachkommen, dann könnte der Eigenanteil der Pflegebedürftigen nach einer Untersuchung der Krankenkassen allein dadurch im Schnitt um etwa ein Viertel sinken. Hier müssen Landesregierungen endlich umdenken.

Ein anderer Kostentreiber ist politisch ausdrücklich erwünscht: Im Zuge zahlreicher Pflege-Reformen kam es in den letzten Jahren zu spürbaren Leistungsverbesserungen für die Betroffenen. Im vergangenen Jahr wurde deshalb auch der Pflegebeitrag erhöht. Doch auch die Heimbewohner spüren am eigenen Geldbeutel, dass der Fortschritt seinen Preis hat. Ausweislich der aktuellen Daten ist ihr Eigenanteil allein für die reine Pflege zuletzt um knapp 100 Euro gestiegen. Dabei ist die Anhebung der Mindestlöhne für Pflegekräfte – ebenfalls eine erwünschte Verbesserung – noch gar nicht eingepreist. Die Kostenspirale wird sich also weiter drehen. Zumal auch die Zahl der stationär betreuten Pflegebedürftigen weiter steigt.

Um all das zu finanzieren, braucht es mehr als nur eine Fixierung auf Beitragszahler und Betroffene. Schon jetzt ist gut jeder dritte Pflegeheimbewohner auf Sozialhilfe angewiesen. Auch so wird das Thema immer mehr zu einer gesellschaftlichen Herausforderung. Weil im Alter potenziell jeder betroffen sein kann, machen dauerhafte Steuerzuschüsse Sinn. Nachzudenken wäre auch über eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze, um stärkere Schultern stärker heranzuziehen. Und was die Eigenanteile betrifft, so könnte man sie zum Beispiel nur noch in Höhe der jährlichen Inflationsrate steigen lassen. Auf jeden Fall braucht es hier eine Bremse. Das ausstehende Finanzierungskonzept hatte Jens Spahn zuletzt für den Herbst versprochen. Diesmal muss er Wort halten.

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