Leitartikel Nötig ist eine gemeinsame Wirtschaftspolitik der EU

Was ist wichtiger? Der Weg? Oder das Ziel? Die Bundesverfassungsrichter haben sich in ihrem Urteil gegen den Weg entschieden, den die Europäische Zentralbank allerdings nur deswegen eingeschlagen hat, um das Ziel zu erreichen.

 Detlef Drewes

Detlef Drewes

Foto: SZ/Lorenz, Robby

Denn aus Sicht der Banker war es ihr Auftrag, das Abrutschen der krisengeschüttelten Euro-Staaten zu verhindern, um die Stabilität des Euro zu sichern. Aber haben sie damit am Ende nicht doch Staatshaushalte finanziert und Wirtschaftspolitik gemacht? Beides ist der EZB ausdrücklich verboten.

Das Problem liegt darin, dass man diese beiden Seiten des damaligen Aufkaufprogramms kaum voneinander trennen kann. Ohne die Zusage der Frankfurter Bank, Staatsanleihen mit 2,6 Billionen Euro zu erwerben, hätten die Regierungen Griechenlands Spaniens, Portugals und Irlands (und ehrlicherweise auch Italiens) den Bankrott ihres Landes anmelden müssen. Die Intervention der Geldhüter war deshalb sicherlich eine Form von zumindest indirekter Staatsfinanzierung, auf dem Umweg über die Geldpolitik für den Rest der Eurozone. Deshalb hat Karlsruhe diese Strategie auch nicht kritisiert, wohl aber darauf hingewiesen, dass in Frankfurt keine geldpolitischen Entscheidungen gefällt werden können, die nicht der haushaltspolitischen Eigenständigkeit und Kontrolle der gewählten politischen Organe in Deutschland unterliegen müssen.

Der Vorwurf stimmt, er reicht sogar noch weiter. Denn genau betrachtet hat die EZB jene Fehler der Eurozone ausgebügelt, die die Finanzminister nicht beheben konnten. Die dazu notwendigen Instrumente gab es auch damals schon, denn sie gehörten schon zum Gründungspakt des Euro. Sie hätten über eine gemeinsame Wirtschaftspolitik wachen und solides Haushalten durchsetzen müssen. Doch das gelang nicht. Am Ende verschuldeten sich einige bis über alle noch erträglichen Grenzen hinaus und gefährdeten so die gesamte Währungsunion.

Wer diese Webfehler der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion beseitigen will, muss tun, was die Bundesregierung bisher selber blockiert: Der Euroraum muss endlich zu einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik kommen. Dafür wurden seit dem jetzt kritisierten Programm weitere Schritte getan – etwa mit der Haushaltsüberwachung durch die EU-Kommission. Aber das reicht nicht. Gerade weil sich die Staaten nicht verhalten, wie sie es selbst beschlossen haben. Als Beispiel dient Italien, das unter der früheren Regierung mit starkem Einfluss der Rechtsnationalen Lega sich von allen Stabilitätsvorschriften lossagte. Der einzige mutige Entwurf zu einer Fortentwicklung des Euroraums hin zu einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik und sogar eigenem Budget stammt von Frankreichs Präsident Macron. Doch wer wollte mitten in dieser Coronavirus-Krise noch etwas von Schuldengrenzen und Haushaltsregeln oder überzogenen Hilfestellungen der EZB wissen, wo die Wirtschaft vieler Staaten am Boden liegt. Daran krankt das Urteil aus Karlsruhe: Es wirkt heute wie ein politischer Ordnungsruf aus grauer Vorzeit.

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