Leitartikel Ein Plan für die Zeit nach der Krise ist nicht in Sicht

Zuletzt schien die große Koalition sich langsam wieder in ihren Vor-Corona-Zustand zu bewegen – in Richtung Bündnis der Streithähne. Der Koalitionsausschuss am Mittwochabend hat jedoch gezeigt, dass die Groko den Pfad der Gemeinsamkeiten im Kampf gegen die Pandemie noch nicht verlassen hat.

 Hagen Strauss

Hagen Strauss

Foto: Robby Lorenz

Allerdings ist es derzeit auch nicht besonders schwer, zusammenzuhalten und Kompromisse zu finden. 

Die Koalition schöpft einfach aus dem Vollen. Was zur Bekämpfung der Krise und ihrer wirtschaftlichen Folgen für nötig erachtet wird, wird in Form von unvorstellbaren Milliardensummen auf den Weg gebracht. Und wenn’s nicht reicht, wird halt nachgelegt. Wie etwa jetzt mit mehr Kurzarbeitergeld und einer geringeren Mehrwertsteuer für Speisen in der Gastronomie. Letzteres freilich erst ab dem 1. Juli, womit diese Maßnahme den akut gefährdeten Restaurants kaum helfen wird. Schließlich haben viele keine Einnahmen, weil keine Gäste. Aber die reduzierte Mehrwertsteuer macht zumindest perspektivisch Hoffnung, nach dem verordneten Stillstand schnell den Betrieb wieder flott zu bekommen und womöglich angehäufte Schulden abzubauen.

Es ist notwendig, die Rettungsmaßnahmen in der Krise immer wieder nachzuschärfen. Das Land befindet sich in einem Ausnahmezustand, den es so noch nie gegeben hat. Da können Fehler beim Krisenmanagement vorkommen. Hauptsache, sie werden korrigiert. Und es ist es nicht verwerflich, dass jeder Leidtragende auf Unterstützung des Staates hofft oder sie einfordert. Jedem seien die Hilfsgelder absolut gegönnt. Allerdings muss inzwischen auch erlaubt sein, Folgefragen zu benennen, die sich nach der Pandemie zwangsläufig stellen werden.

Irgendwann muss das nun ausgegebene und über immense Schulden finanzierte Geld wieder zurückbezahlt werden. Aber wie? Nach der Krise gilt es dann, die Konjunktur weiter zu stabilisieren und mit wirtschaftspolitischen Maßnahmen einen Aufschwung zu befördern. Aber wie? Corona hat zudem die erheblichen Schwächen bei der Digitalisierung des Landes unverhohlen offengelegt, von Engpässen bei den Netzkapazitäten bis zum digitalen Lernen in den Schulen und außerhalb des Klassenzimmers. Das muss sich ändern – aber wie? Dann wird die Politik auch wieder Nein sagen müssen hinsichtlich mancher Forderung, wozu sie derzeit aus guten Gründen nicht in der Lage ist. Schafft sie das?

Die große Koalition braucht langsam aber sicher einen Plan für die Zeit nach der Corona-Krise, wenn das Schlimmste überstanden ist. Ein solcher Plan ist noch nicht ansatzweise in Sicht. Schon jetzt brodelt es zudem unter der schwarz-roten Decke. Die alten Debatten über eine mögliche Verschiebung der Grundrente, um eine Vermögensteuer und schon wieder über die schnellere Soli-Absenkung belegen dies. Das Bündnis läuft somit Gefahr, in den permanenten Streit-Modus zurückzufallen, sobald es nicht mehr um die akute Krisenbewältigung in der Gegenwart geht, sondern um die Gestaltung der Zukunft. Gut fürs Land wäre das sicherlich nicht.

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