Ein Recht auf Homeoffice? Der Vorstoß zur Heimarbeit ist Heils Profilierungsversuch

Einst nannte man es Heimarbeit. Neudeutsch heißt es Home-Office. Gleich mehrere Millionen Menschen sammeln damit jetzt unfreiwillig Erfahrung. Und es sind nicht nur gute. Wenn die Kinder bespaßt werden wollen, sich mit dem Schulstoff schwer tun oder das W-Lan ruckelt, kann der Traum vom Arbeiten in den eigenen vier Wänden schnell zum Albtraum werden, sehnt sich mancher geradezu wieder nach den Kollegen im Betrieb.

 Stefan Vetter

Stefan Vetter

Foto: SZ/Robby Lorenz

Umso erstaunlicher, dass Arbeitsminister Hubertus Heil seine alte Idee für einen Rechtsanspruch auf Home-Office ausgerechnet jetzt neu aufwärmt. Erst im vergangenen Jahr war der Sozialdemokrat damit beim Koalitionspartner abgeblitzt. Offenbar ist der Vorstoß auch zur parteipolitischen Profilierung gedacht, denn die Corona-Krise treibt der SPD die Sympathisanten nicht gerade in Scharen zu, der Union aber schon.

Man kann die Sache freilich noch aus einem anderen Blickwinkel sehen: Gerade weil derzeit so viel mehr Beschäftigte Home-Office betreiben als in Vor-Corona-Zeiten, stellt sich auch die Frage nach den Voraussetzungen in neuer Dimension. Beteiligt sich der Arbeitgeber an den Kosten fürs heimische Internet? Muss er einen ergonomischen Sitzplatz zur Verfügung stellen? Wie sind die Arbeitszeiten geregelt? Und kann man Home-Office auch ablehnen? Schon diese wenigen Aspekte zeigen, dass Heils Vorstoß viel zu kurz greift. Heimarbeit kann Segen, aber auch Fluch sein. Segen, weil sie die Möglichkeit für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf bietet. Fluch, weil Dienstliches und Privates zu verschwimmen droht und der Arbeitsstress sogar noch zunimmt. Beides ist durch Untersuchungen belegt.

Hinzu kommt, dass Home-Office ohnehin nur in einem Teil der Arbeitswelt praktikabel ist. Eine Altenpflegerin kann ihren Job genausowenig wenig zu Hause erledigen wie ein Bauarbeiter oder KfZ-Mechatroniker. Im Kern muss es aber darum gehen, dass möglichst viele Arbeitnehmer mehr Zeitsouveränität im Berufsalltag gewinnen. Sich nur auf einen Rechtsrahmen für Home-Office zu konzentrieren, hieße auch, viele andere Berufsgruppen zu diskriminieren. Eine Reform des Arbeitszeitgesetzes wäre viel wichtiger.

Bleibt dennoch die Frage, ob es tatsächlich ein Recht auf Home-Office geben soll. Schon heute existieren dazu tarifvertragliche Vereinbarungen. Zum Beispiel für die Metall- und Elektroindustrie. Die entsprechenden Vorgaben sind jedoch bewusst allgemein gehalten. Denn die Situation ist von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Dort wird dann auch konkret entschieden. Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden insbesondere dann einvernehmliche Lösungen finden, wenn sich damit nicht nur die Arbeitszufriedenheit steigern lässt, sondern auch die Produktivität. Minister Heil hat übrigens betont, dass ein Recht auf Home-Office nur dort Sinn macht, „wo es betrieblich möglich ist“. Das heißt, der Betrieb könnte auch ablehnen. Nur, was bleibt dann noch von einem solchen Rechtsanspruch? Nicht viel mehr als ein Schlagwort. Und ein Profilierungsversuch.

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