Leitartikel „Fridays for Future“ steht in den Startlöchern

Mehrere Millionen Schüler gingen weltweit auf die Straße. Allein in Berlin zählten die Veranstalter einige hunderttausend Teilnehmer. So war das im Herbst des letzten Jahres, als „Fridays for Future“ für den Klimaschutz demonstrierte.

 Stefan Vetter

Stefan Vetter

Foto: SZ/Robby Lorenz

Nur wenige Monate später wirken diese Bilder wie aus der Zeit gefallen. Corona hat auch die Proteste der jungen Generation fest im Griff. Ihr jüngster globaler Aktionstag musste deshalb weitgehend in den virtuellen Raum verlegt werden. Da nimmt es der Rebellion auch die Provokation, wenn Schulschwänzen wegen virusbedingt geschlossener Schulen gar kein Schulschwänzen mehr ist. Trotzdem dürfte sich irren, wer glaubt, der Bewegung läute gerade das Totenglöckchen. Nur weil das Virus omnipräsent ist, ist der Klimawandel ja nicht verschwunden.

Die Landwirte jedenfalls kämpfen derzeit nicht nur mit den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise, sondern auch mit der massiven Trockenheit. Schon droht der dritte Dürresommer in Folge. Man kann darüber streiten, ob es sich nur um eine Laune der Natur handelt, oder um einen weiteren Beleg für die Erderwärmung. Unstrittig ist jedoch, dass die Zahl der Extremwetterlagen in den letzten Jahrzehnten weltweit deutlich zugenommen hat. Insofern weisen die Corona- und die Klima-Krise durchaus Parallelen auf. In beiden Fällen sind die Auswirkungen für jedermann spürbar. In beiden Fällen gilt es, eine bedrohliche Entwicklung einzudämmen.

Der Klimawandel vollzieht sich allerdings deutlich langsamer, schleichend sozusagen. Er zwingt auch nicht gleich auf die Intensivstation. Das mindert den politischen Handlungsdruck. Deshalb verwundert es nicht, wenn die Bundesregierung den Virologen deutlich mehr Gehör schenkt als den Klimaforschern mit all ihren bisherigen Warnungen. Und die Luft weist gegenwärtig ja auch weniger Schadstoffe auf, da Unternehmen zwangsweise ruhen, kaum Staus entstehen und Flugzeuge am Boden bleiben. Diese positive Erfahrung, die derzeit vor allem Großstädter und Menschen in Ballungszentren machen, könnte für den Klimaschutz noch viel wert sein. Denn natürlich wird es auch ein Leben nach Corona geben, und viele werden sich dann wehmütig der besseren Luftqualität erinnern.

Absehbar ist, dass die Wirtschaft groß angelegte Konjunkturprogramme braucht, um wieder auf die Beine zu kommen. Aus der Finanzkrise vor gut zehn Jahren ist vielen noch die Abwrackprämie in Erinnerung geblieben. Das war politisch ein Motor für die Autoindustrie. Dies ließe sich unter neuen Klimavorzeichen wiederholen. Nicht mehr Diesel und Benziner gehören gefördert, sondern deutlich stärker als bisher alternative Antriebe, sprich, vor allem Elektrofahrzeuge. In der Konsequenz müssten dann aber auch die erneuerbaren Energien massiv ausgebaut, das steuerliche Diesel-Privileg beseitigt und alle Vorteile bei der Anschaffung spritschluckender Dienstwagen abgeschafft werden. Die „Fridays for Future“-Bewegung hat jedenfalls genug Gründe, wieder auf die Straße zu gehen. Auch für sie gibt es ein Leben nach Corona.

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