Spahns Impf-Plan Ein neues Pandemie-Chaos darf keinesfalls entstehen

Zu Beginn der Pandemie im März mahnte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Fehler müsse man bei der Bekämpfung des Virus verzeihen. Fehler hat es gerade vor der zweiten Welle reichlich gegeben.

 Hagen Strauss

Hagen Strauss

Foto: SZ/Robby Lorenz

In der Nachbetrachtung wird man also vieles verzeihen müssen, was zugleich schwerfallen dürfte. Schließlich ist eine Corona-Infektion immer häufiger zu einer Frage von Leben und Tod geworden. Der Minister muss nun extrem aufpassen, dass sich das Vorgehen bei den nach Weihnachten beginnenden Impfungen nicht auch noch auf der politischen Mängelliste wiederfindet – denn speziell dieser Fehler könnte sich dann als einer der besonders folgenreichen erweisen.

Bei der Vorstellung seiner Impfverordnung hat Spahn die Bürger schon um Geduld gebeten, weil es noch mehrere Monate dauern kann, bis man selbst an der Reihe ist. Dass sich inzwischen Interessenvertreter melden, die eine frühere Priorisierung ihrer Klientel fordern, verwundert nicht. Jeder hat irgendeinen Grund, aber nicht immer einen guten, warum diese oder jene Berufs- oder Altersgruppe schneller geimpft werden muss. Der Verteilungskampf um die begrenzte Menge an Dosen könnte hart werden und damit auch der Druck auf die Politik erheblich steigen, wenn die Spritze genau das hält, was die Wissenschaft verspricht – nämlich verträglich vor Krankheit und im schlimmsten Falle vor dem Corona-Tod zu schützen. Solidarität mit anderen zählt dann womöglich nicht mehr so, wie der Gesundheitsminister sich das erhofft.

Angesichts der äußerst prekären Lage in vielen Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern ist es freilich absolut richtig, zuerst diejenigen zu schützen, die das selbst nicht gut können oder die berufsbedingt einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt sind. Dann sollen laut Verordnung weitere Risikogruppen folgen. Spahn muss nun alles daran setzen, dass seine Impfstrategie in der Praxis auch weitgehend reibungslos funktioniert. Zwar sind die Einrichtung und der Betrieb der Impfzentren sowie der mobilen Teams eine enorme organisatorische und logistische Herausforderung, aber am Ende dürfen nicht auch noch bei den Impfungen die Schwierigkeiten die Erfolge überlagern. Keinesfalls darf ein neues Pandemie-Chaos entstehen, weil dann das Ziel in weite Ferne rücken wird, mindestens 70 Prozent der Bürger zu immunisieren, um die Ausbreitung des Virus zu bremsen oder gar zu beenden.

Die Akzeptanz der Impfung muss dann auch noch erheblich erhöht werden. Es ist ein weiteres Paradoxon der Pandemie: Je näher der anfänglich so ersehnte, einzige und dauerhafte Ausweg aus der Corona-Krise rückt, desto mehr Menschen werden nachdenklich, wollen abwarten oder gar gänzlich auf eine Impfung verzichten. Um das wieder zu ändern, braucht es völlige Transparenz sowie Aufklärung über Chancen und Nutzen, über mögliche Nebenwirkungen, die es bei allen Impfungen geben kann. Auch das ist jetzt eine von Spahns dringlichen Aufgaben – neben dem erfolgreichen Start seiner Impfstrategie.

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