Kommentar Der Impf-Fortschritt muss Freiheiten wiederbringen

Meinung · Immer mehr Impfstoffe werden geliefert, und an immer mehr Stellen wird geimpft. Der positive Trend muss jetzt allerdings auch durchschlagende Konsequenzen haben, was die Abschaffung von Einschränkungen für Geimpfte angeht.

 Kommentarkopf, Foto: krohnfoto

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Foto: SZ/Lorenz, Robby

Immer mehr Impfstoffe werden geliefert, und an immer mehr Stellen wird geimpft. Mittlerweile auch bei den Hausärzten. Demnächst zusätzlich bei den Betriebsärzten. Seit Frühlingsbeginn geht es mit dem Impfen deutlich aufwärts, ist der Knoten endlich geplatzt. Dazu nur zwei Zahlen: Von Januar bis März hatten erst gut zehn Prozent mindestens einen rettenden Piks bekommen. Im April, also binnen nur eines weiteren Monats, hat sich dieser Bevölkerungsanteil bereits verdoppelt. Eine bemerkenswerte Entwicklung, wenn man sich der zahllosen Unkenrufe erinnert, Deutschland bekomme das Impfen sowieso nicht in den Griff.

Der positive Trend muss jetzt allerdings auch durchschlagende Konsequenzen haben, was die Abschaffung von Einschränkungen für Geimpfte angeht. Das Ziel der Immunisierung besteht ja gerade darin, so schnell wie möglich wieder zur gesellschaftlichen Normalität zurückehren. Wenn immer mehr Menschen geimpft sind, gibt es immer weniger Grund, bei ihnen an Einschränkungen festzuhalten. Die Wiederherstellung gewohnter Freiheiten ist ja kein politisches Geschenk, sondern ein verfassungsrechtliches Gebot. Insofern waren auch manche Debatten im Vorfeld des jüngsten Impfgipfels fehl am Platze. Man denke in diesem Zusammenhang nur an denn irrigen Gedanken von der Gewährung von „Privilegien“.

Auf dem Impfgipfel von Bund und Ländern wurde nun darüber debattiert, vollständig Geimpfte mit Genesenen und Getesteten gleichzustellen. Das heißt in der Praxis zum Beispiel reisen ohne Quarantäne oder Friseurbesuch ohne Test. Das klingt sicher gut, ist aber zu wenig. Schließlich geht das Robert-Koch-Institut selbst davon aus, dass Geimpfte und Genesene sogar noch ein geringeres Risiko haben, andere Menschen anzustecken, als negativ Getestete. Damit stellt sich die Frage, warum für Geimpfte dann zum Beispiel trotzdem die Ausgangssperre gelten soll wie für alle anderen auch. Warum sie sich nicht mit mehreren ebenfalls Geimpften treffen dürfen. Und warum sie keinen Anspruch auf den Zugang etwa zu Museen, Schwimmhallen oder Fitnesszentren bekommen. Genauso gut könnten auch die Betreiber solcher Einrichtungen darauf pochen, für diesen Personenkreis endlich wieder die Türen zu öffnen.

An dieser Stelle lassen Bund und Länder die Konsequenz noch vermissen. Gut möglich, dass ihnen die Gerichte auf die Sprünge helfen werden, zumal die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten eine Abschaffung der Impfreihenfolge spätestens für Juni in Aussicht stellen. Diese Maßnahme sollte bekanntlich dem Mangel an Biontech & Co. Rechnung tragen. Dabei ist die Priorisierung inzwischen ohnehin schon aufgeweicht, seitdem sich in mehreren Bundesländern jede und jeder mit Astrazeneca impfen lassen kann. Wenn demnächst der Mangel an Impfstoff endgültig Geschichte ist, dann können sich alle immunisieren lassen. Und spätestens dann müssen sämtliche Schranken für die Immunisierten fallen.

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