Gedenken an die Corona-Toten Die Trauer um die Opfer ist auch eine Mahnung

Berlin · Der Tod verändert alles“, predigte Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm im Gottesdienst zur nationalen Gedenkfeier an die Corona-Toten am Sonntag. Er nannte die Krisenerfahrung der Pandemie-Zeit ein „Trauma unserer Seele“.

„Wir werden viel Zeit brauchen, erst recht unsere Kinder, unsere Heranwachsenden, für die diese Krise die Ausdehnung einer gefühlten Ewigkeit hat.“ Wie recht er hat. Die Krise dauert an, noch immer sterben jeden Tag Menschen an und mit ihrer Covid-Erkrankung.

Eine nationale Feier zum Gedenken an jene, die gegangen sind, oft allein und ohne ihre Liebsten, war überfällig. Es ist gut, dass der Staat ein Jahr nach Beginn der Pandemie das Zeichen setzt: „Wir haben nicht vergessen.“

Es gab Einwände. Eine Gedenkfeier sollte am Ende der Pandemie stehen. Warum nur? Der Staat hätte diese schon viel früher ausrichten und damit das Augenmerk auf die Folgen dieser Pandemie lenken sollen. Auf die Angst, die Not, die Trauer, die Schmerzen, die Helfer, die Hinterbliebenen und die Opfer. All das fällt in der politischen Debatte mit ihren täglichen Strichlisten von Infizierten- und Todeszahlen oft unter den Tisch.

Schmerz und Trauer sind leise. Oft stumm. Das Schicksal, alleine zu sterben, keinen Abschied nehmen zu können, ist für die, die mitten im Leben stehen, oft nicht zu begreifen. Die Gesellschaft ist sehr schnell im Vergessen. Aber 80 000 Menschen sind gegangen. Ihr Leid relativiert mitnichten das Leid, den Tod, der auch sonst in der Gesellschaft Raum hat. Man darf Leid nicht gegeneinander ausspielen. Allerdings ist diese Pandemie – ebenso wie etwa Kriegserfahrungen und Naturkatstrophen – ein nationales Trauma. In diesem Fall sogar ein globales. Deswegen ist es richtig, gemeinsam zu gedenken. Es brauchte diesen Moment des Innehaltens dringend. Es war ein würdiges Gedenken mit den Stimmen der Angehörigen und einer wichtigen Rede des Bundespräsidenten. Ein erster Schritt. An diesem Tag wird bewusst, dass der Alltag die seelischen Folgen dieser Pandemie (noch) überdeckt. Die Gesellschaft wird Zeit brauchen.

Man kann nur hoffen und beten, dass diese Bilder auch bei denen ankommen, die bewusst Regeln außer Kraft setzen und sich und ihre Mitmenschen somit auch bewusst gefährden. Die Trauerfeier fand in Berlin statt; einen Tag vorher versammelten sich in der Hauptstadt viele unter dem Motto „Wir wollen tanzen“ und feierten eine Party – ohne Masken und Abstand.

Am Gedenktag darf nicht vergessen werden, dass täglich Menschen an ihrer Covid-Erkrankung sterben oder unter ihren Folgen leiden. Und dass die Politik dafür eine Mitverantwortung trägt. Daher sollte diese Feier auch eine Mahnung an die Politiker enthalten: Handelt noch einmal entschlossen, damit das Sterben ein Ende hat: Wendet jede Kraftanstrengung auf, den Menschen den rettenden Impfstoff so schnell wie möglich zu verabreichen. Und es muss dafür gesorgt werden, dass niemand mehr alleine sterben muss.

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