Hochzeit im Immobilienmarkt

Essen · Die Immobilienriesen Deutsche Annington und Gagfah wollen fusionieren. Die Börse nahm den Zusammenschluss positiv auf, doch die Vertreter der Mieter sind skeptisch und mahnen die soziale Verantwortung an.

Der Immobilienriese Deutsche Annington lässt die Muskeln spielen: Durch einen Zusammenschluss mit dem ebenfalls börsennotierten Konkurrenten Gagfah könnte schon bald ein neuer deutscher Branchenprimus mit bundesweit 350 000 Wohnungen entstehen. Den Wert des riesigen Immobilienpakts mit Schwerpunkt in Nordrhein-Westfalen, Berlin und dem Osten Deutschlands beziffern Experten auf rund 21 Milliarden Euro. Schon bald könnten mehr als eine Million Menschen in Deutschland unter den Dächern des neuen Großvermieters leben.

Während das Übernahmeangebot gestern an der Börse überwiegend positiv aufgenommen wurde, herrschte bei Mietervertretern Skepsis. Nach Bekanntwerden der Pläne mahnte der Deutsche Mieterbund (DMB) nachdrücklich die soziale Verantwortung des künftig vermutlich größten deutschen Vermieters an.

"Wir hoffen, dass die Deutsche Annington aus Fehlern lernt, verstärkt in die Instandsetzung und Instandhaltung ihrer Wohnungen investiert", so DMB-Direktor Lukas Siebenkotten. Bereits in der Vergangenheit sei es mit den betroffenen Unternehmen häufig zu Streitigkeiten etwa über Nebenkostenabrechnungen oder über mangelnde Erreichbarkeit gekommen, berichtete Silke Gottschalk, Geschäftsführerin des Mieterbundes in Nordrhein-Westfalen. Der NRW-DMB-Vorsitzende Felix von Grünberg warf den Unternehmen vor, in der Vergangenheit Mieterinteressen "sträflich vernachlässigt" zu haben.

Die von Annington-Chef Rolf Buch angekündigte "Wertsteigerung durch Mieterorientierung" dürfe nicht bloß eine Leerformel bleiben, forderte Siebenkotten. Der Annington-Chef hatte zuvor angekündigt, dass die Mieter des Unternehmens auch künftig von "bezahlbarem Wohnraum" sowie von Investitionen in energetische Sanierung und Schaffung von altersgerechtem Wohnraum profitieren könnten. Bereits für das kommende Jahr kündigte das Unternehmen Investitionen von rund einer halben Milliarde Euro in den Wohnungsbestand an.

Die aufwendige Organisation bei der Verwaltung von Wohnungen ist aus Sicht von Experten ein wichtiges Argument für den geplanten Zusammenschluss. "Das Verwaltungssystem der Deutschen Annington ist ausgelegt auf eine deutlich höhere Anzahl von Wohnungen. Das Ende der Fahnenstange ist noch lange nicht erreicht", ist sich Marc Tüngler von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW) sicher. Derzeit sei in Deutschland noch ein eher geringer Teil der Mietwohnungen in den Händen von Großvermietern.

Meinung:

Einnahmen müssen stimmen

Von SZ-RedakteurLothar Warscheid

Die angekündigte Großfusion am deutschen Immobilienmarkt lässt die Branche aufhorchen. Ein Schreckensszenario lässt sich daraus aber nicht ableiten. Größe bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Verwaltungskosten pro Wohnung sinken und sich bei den Investitionen die Einkaufskonditionen verbessern. Wohnungen sind zwar eine besondere Ware, weil auch Geringverdiener ein bezahlbares Dach über dem Kopf brauchen. Doch investieren kann nur der, der über genügend Einnahmen verfügt. Daran kommt kein Unternehmen vorbei, egal ob die Eigentümer Kommunen, Genossenschaften oder börsennotierte Konzerne sind.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort