„Freigeister hatten es nicht leicht“

Heute startet in der Saarbrücker Camera Zwo Dominik Grafs Film, „Die geliebten Schwestern“, der von der Liebe Friedrich Schillers zu zwei Schwestern erzählt. SZ-Mitarbeiter Martin Schwickert hat mit Hannah Herzsprung gesprochen, die Schillers Geliebte Charlotte von Lengefeld spielt.

Am Anfang sieht es aus, als würde hier die perfekte Dreiecksbeziehung entstehen. Warum gerät dieses Dreieck aus der Balance?

Herzsprung: Der Alltag beginnt. Ansprüche werden von außen herangetragen. Die Drei werden aus dieser Sommeridylle herausgeworfen. Aber Caroline spürt auch, dass sie der Ehe zwischen Schiller und ihrer Schwester im Wege steht. Sie ist ja eigentlich eine Frau, die sich nimmt, was sie will, aber hier merkt sie, dass ihr Plan nicht aufgeht und sie ihre über alles geliebte Schwester verletzt. Da findet sie keinen anderen Weg, als das alles von sich zu stoßen und zu gehen. Aber sie kann das Leben ohne die beiden kaum aushalten. Schiller ist ja auch ein Mentor für sie.

Und was nimmt Schiller aus dieser Ménage-à-trois mit?

Herzsprung: Er benennt die beiden ja mit den Attributen "Glut" und "Weisheit". Charlotte gibt ihm Geborgenheit und Sicherheit. Caroline hingegen ist in ihrer Leidenschaft kaum zu bändigen - und das wird Schiller irgendwann zu viel.

Der Film stellt die enge Verbundenheit der Schwestern und romantische Liebe nebeneinander. Ist die Geschwisterliebe stärker?

Herzsprung: Geschwisterliebe ist eine ganz andere Form der Liebe. Ich glaube, familiäre Bindungen sind beständiger. Man ist ein Teil voneinander. Selbst nach großem Streit bleibt diese bedingungslose Liebe gegenüber dem Kind, den Eltern, den Geschwistern bestehen.

Wenn wir heute an die Zeit des 18.Jahrhunderts denken, stellt man sich eine durch Konventionen streng reglementierte Gesellschaft vor. Im Film hat man jedoch das Gefühl, dass damals manchmal freier gedacht wurde als heute.

Herzsprung: Es ist natürlich immer schwer zu sagen, wie es damals wirklich war. Aber der Film ist so gemacht, dass man den freien Geist dieser Zeit auch spürt. Die Drei haben sich ihren Freiraum auch selbst geschaffen und es durfte ja auch keiner von den tatsächlichen Liebesverhältnissen wissen. Schiller war - im Gegensatz zu Goethe - damals auch ein echter Revoluzzer und wurde aus seiner Heimat vertrieben. Freigeister wie er hatten es damals nicht leicht.

Auch Caroline nimmt sich für eine Frau ihrer Zeit einiges heraus.

Herzsprung: Sie musste mit 16 diese Versorgungsehe eingehen und befreit sich aus den Zwängen. Dreimal heiraten, nicht zu wissen, von wem das Kind ist, die Geburtsurkunde fälschen - das war in der damaligen Zeit für eine Frau mehr als unkonventionell.

Briefe spielen in diesem Film eine sehr wichtige Rolle. Kann man sich eine solch kommunikative Intensität auch per SMS vorstellen?

Herzsprung: Das ist eine ganz andere Art der Kommunikation. Man sieht im Film ja auch sehr schön, wie lang die Wege sind, die diese Briefe zurücklegen müssen. Auch sprachlich gibt es riesige Unterschiede. Man hat sich damals einfach mehr Zeit dafür genommen, einen Brief zu schreiben. Mir geht das manchmal mit unserer modernen Kommunikationstechnologie zu schnell. Ich mag es, wenn man den Dingen im Leben mehr Raum gibt.

Ausführliche Kritik zu diesem und weiteren aktuellen Kinofilmen heute im treff.region.

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