Kolumne So kann’s gehen Durch den Abfluss zum Wutbürger

Eine Reparatur am Toiletten-Abfluss ging ganz schön daneben. Schade, dass sonst niemand daran schuld ist.

Kolumne So kann’s gehen: Durch den Abfluss zum Wutbürger
Foto: SZ/Robby Lorenz

Am Samstagnachmittag kam eine Textnachricht mit der Bitte, ob ich bei einem Abwasserproblem helfen könnte. Kurzer Anruf: „Geht’s um die Zufuhr oder den Ablauf?“ Aha, Ablauf. Das muss doch wohl bis zu zwei späteren Terminen zu schaffen sein …  Also alles eingepackt, um einen Toilettenabfluss abzudichten und ab nach Saarbrücken. Nur…es geht um ein Waschbecken – ein kleiner Riss ist unter der Verschraubung im Siphon. Dafür hab’ ich keine passenden Teile dabei. Wieder nach Hause fahren? Der Baumarkt ist näher – aber das dort eilig gekaufte Ersatzrohr zu lang. Eine Metallsäge hab’ ich natürlich nicht, und meinen ersten Termin kann ich abschreiben. Ich setze mich zum Nachdenken – in eine Lache. Hilft alles nix: Schnell wieder zum Baumarkt – wo jetzt, wegen einer Veranstaltung im benachbarten E-Werk, der Parkplatz überfüllt ist. Endlich wieder im Baumarkt. Das Rohr in der gewünschten Länge ist ausverkauft. Ich schwenke um auf einen neuen Kunststoff-Siphon. Dafür muss ich aber auch im Waschbecken den Abfluss abschrauben. Die Schraube ist hinüber, ich krieg‘ sie nicht raus. Mit brachialer Gewalt breche ich den Abfluss heraus, schneide mich dabei auch nur ein wenig. Endlich kann ich den neuen Siphon einsetzen – und abhaken, dass ich zum zweite Termin rechtzeitig komme. Ich bin frustriert und stinksauer auf die ganze Welt. Oh Mann, würde das so gut tun, jetzt jemanden anzuschreien, irgendeinen Schuldigen zu haben. Plötzlich verstehe ich, wie sich Wähler von Rechtspopulisten fühlen müssen: Es ist einfach dumm gelaufen, und richtig schlau hab’ ich mich auch nicht angestellt, aber wie gut tut es dem frustrierten Ego, wenn es einen Schuldigen serviert bekommt. Ist er es wirklich? Darum geht’s doch gar nicht.

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