Deutschland in der Verantwortung

Es ist den Deutschen im Jahr 2014 vielleicht etwas bewusster geworden, was ihr Land international ist: ein überaus bedeutender Akteur. Und das nicht nur, weil Bundespräsident Joachim Gauck dies zu Jahresbeginn eingefordert hat.

Wer wird denn sonst noch so stark gefragt in der Ukraine-Krise, welches Land steht denn außer Italien sonst noch so im Zentrum der Flüchtlingsbewegungen, wer ist denn der stabile Anker und Reformtreiber im krisenhaften Euro-Raum?

Vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier haben sehr eindrucksvoll gezeigt, was mehr Verantwortung in der Praxis bedeutet. Die Krim-Krise, der Gaza-Konflikt, das iranische Atomprogramm, die Anti-IS-Koalition, Ebola. Deutschland hat vermittelt, koordiniert, Auswege gesucht, geholfen. An führender Stelle, oft als Impulsgeber. Dazu das Zusammenhalten Europas. Die Berliner Regierung hat sich nicht von den antieuropäischen Stimmungen anstecken lassen, von der unseligen Pkw-Maut abgesehen nicht einmal in Wahlkämpfen.

Einiges jedoch ist noch längst nicht stimmig. Die kleinen Militäreinsätze in Mali, im Nordirak und bei der Ebola-Bekämpfung haben auf geradezu peinliche Weise bloßgelegt, wie schlecht der Ausrüstungszustand der Bundeswehr ist. Eine international bedeutende Macht kann sich zwar zurückhaltend verhalten, Deutschland muss das sogar. Aber gar keine Muskeln haben, das darf sie nicht. Mindestens bei diesem Etatposten dürfte vorerst die Friedensdividende ausfallen, mit entsprechenden innenpolitischen Debatten.

Sie entfällt sowieso, denn auch die direkte Bedrohung Europas ist zurückgekehrt. Russland erklärt dem Westen immer offener seine Rivalität und zettelt lokale Kriege an. Und wohin ein immer despotischerer Erdogan um sich schlagen wird, ist nicht ausgemacht. Die nach der Befreiung des Ostblocks vom Sozialismus gefundene friedliche Nachwendeordnung des Kontinents ist jedenfalls wieder in Gefahr. Sie zu erhalten, wird die zentrale neue Herausforderung für 2015.

Anderes bleibt als Aufgabe. Die Euro-Stabilisierung, erst recht, wenn der Problemfall Griechenland nun wieder neu aufpoppen sollte. Eine internationale Nordafrika-Strategie, inklusive des Umgangs mit den Flüchtlingsströmen. Dazu kommt der globale Klimaschutz, für den 2015 ein entscheidendes Jahr ist und in dem Deutschland ein wichtiger Taktgeber ist.

2015 wird außenpolitisch also wahrscheinlich noch herausfordernder als 2014. Die Demokratien werden schneller als bisher zu gemeinsamen Antworten finden und sich besser koordinieren müssen. Und Deutschland muss in diesem Gefüge seiner Bedeutung gemäß weiter aktiv mitarbeiten. Nicht mehr. Aber ganz sicher auch nicht weniger.

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