„Das Medium kennt keine Grenzen mehr“

Saarbrücken · Vor 41 Jahren hatte „Tod im Studio“, eine Produktion des Saarländischen Rundfunks, Premiere in der ARD. Der Fernsehfilm erscheint nun erstmals als DVD, erfreut mit einiger Nostalgie, bekannten regionalen Gesichtern und ist in seiner Fragestellung aktuell wie damals: Wie tief greift die Politik in die Medien ein, wie sehr lassen die sich das gefallen? Und wie groß ist die Sensationslust des Zuschauers?

 Axel Buchholz führt als Manfred Reinhard durch die fiktive Sendung. Fotos: Pidax

Axel Buchholz führt als Manfred Reinhard durch die fiktive Sendung. Fotos: Pidax

 Elke Herrmann (1942-2009) bei ihrem Kurzauftritt als Moderatorin Gerda Brunnemann.

Elke Herrmann (1942-2009) bei ihrem Kurzauftritt als Moderatorin Gerda Brunnemann.

 Manfred Sexauer spielt den Reporter Max Eder, der vom Ort des Anschlags berichtet.

Manfred Sexauer spielt den Reporter Max Eder, der vom Ort des Anschlags berichtet.

Ist sie es? Ja, sie muss es sein - Elke Herrmann, prominentes Gesicht des SR, vor 41 Jahren in einem TV-Studio auf dem Halberg. Doch der Untertitel weist sie als "Gerda Brunnemann" aus, und ihr Sender heißt auch nicht SR, sondern SFS. Denn dies ist keine reale Fernsehsendung, sondern Fiktion. "Tod im Studio" heißt die SR-Produktion, die am 20. Februar 1972 in der ARD zu sehen war und jetzt erstmals auf DVD erscheint: ein Film, der mit der Überlappung von Realität und Fiktion spielt, um das eigene Medium zu betrachten.

Moderator Manfred Reinhard (gespielt von SR-Mann Axel Buchholz) führt durch eine Sendung zum Thema "Macht der Föderalismus provinziell?"; als Gäste begrüßt er einen Kirchenrat, einen Politiker und einen Rhetorik-Professor, den kritischen Geist des Ganzen. Der beginnt, sobald die Kameras pausieren, mit dem TV-Direktor eine hitzige Debatte über das allzu enge Verhältnis zwischen Medien und Politik.

Immer wieder schaltet die Sendung auch in einen Ort namens Heimstedt, wo ein Außenreporter (Manfred Sexauer) von der Ankunft des umstrittenen "Wissenschafts- und Automationsministers" berichtet. Der will in dem Ort eine "Atomanlage" bauen, was die Menschen aufbringt. Während seiner Rede, die mit Polit-Wirtschaftsdeutsch beginnt ("notwendiger Umstrukturierungsprozess") und sich dann in ungeahnte Offenheit steigert ("stellt Euch nicht an wie die Hornochsen"), fällt ein Schuss, der Minister bricht zusammen. Nun schlägt die große Stunde des TV-Direktors: Der Nachruf ist ohnehin routinemäßig vorproduziert (bei Medien aller Art eine gängige Praxis), nun schickt er Reporter zu der Klinik, in der der Minister um sein Leben kämpft. Zugleich häufen sich Indizien, dass die Weste des Politikers weniger weiß war als gedacht. Doch das in dieser Situation zu senden, gefällt dem Intendanten des Senders ganz und gar nicht - er greift ein und durch.

Die symbiotischen Verflechtungen zwischen den Medien und der Politik bleiben ein stets aktuelles Thema. Doch abgesehen davon bietet "Tod im Studio", inszeniert von Eberhard Itzenplitz ("Die neuen Leiden des jungen W."), geballte Nostalgie auf mehreren Ebenen: Einmal, indem der Film alte Räume und betagte, damals neue Studiotechnik des SR zeigt, so, wie es vor vier Jahrzehnten dort wohl ausgesehen hat. Reizvoll angestaubt mutet der didaktische Ehrgeiz an, mit dem hier die Arbeit des Fernsehens transparent gemacht wird. Ebenso nostalgisch wirkt auch die Medienkritik selbst, wenn sich etwa der Rhetorik-Professor über Reporter in der Klinik und Bilder aus dem Operationssaal echauffiert ("Das ist doch Sadismus", "Vivisektion im Wohnzimmer!"). Die Skepsis gegenüber einem "Medium, das keine Grenzen mehr kennt", wie es im Film heißt, ist heute längst begraben unter grellbunten Bilderfluten.

Erschienen bei Pidax.

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