Zwischen Kind und Katalog

Homburg · Ihre Zeit muss sich Ramona Baumgärtel gut einteilen. Die junge Mutter erzieht einen fünfjährigen Sohn mit Down-Syndrom und arbeitet im Reisebüro. Eine Ausbildung in Teilzeit ist für sie das passende Modell.

 Ramona Baumgärtel mit ihrem Chef Dirk Hoffmann und Sohn Luca. Foto: Hiegel

Ramona Baumgärtel mit ihrem Chef Dirk Hoffmann und Sohn Luca. Foto: Hiegel

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Auf einem Kreuzfahrtschiff durch die Südsee zu schippern oder mit Schaufel und Eimer im Sand am Meer zu buddeln, das würde dem kleinen Luca sicher Spaß machen. Schon gar, da seine Mama an der Quelle sitzt: Ramona Baumgärtel absolviert ihre Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau in Teilzeit. Und diese Arbeit ist für die 23-Jährige aus Kleinbundenbach in Rheinland-Pfalz eine große Chance. Weil ihr Sohn mit Down-Syndrom zur Welt kam, muss sie ihm viel Zeit widmen und ist auf eine Teilzeit-Ausbildung angewiesen. Doch solche Lehrstellen gibt es nicht viele. Eine erste Ausbildung scheiterte. Dass sie die Stelle beim Homburger Reisebüro Sonnenklar bekam, war dann Glück im Unglück.

18 Jahre war Ramona Baumgärtel, als ihr Sohn zur Welt kam. Sie stand kurz vor ihrem Fachabitur, hatte bis in den neunten Monat ihrer Schwangerschaft die Schulbank gedrückt. Gerade mal ein halbes Jahr pausierte sie nach der Geburt, wiederholte dann das letzte Schuljahr und erreichte den gewünschten Abschluss. Doch die Lehrstellensuche gestaltete sich schwierig. Weil sie Zeit für ihren Sohn brauchte - der heute fünfjährige Luca besucht häufig Therapiestunden am Nachmittag - konnte sie keine Vollzeit-Ausbildung beginnen. Baumgärtel schätzte sich deshalb glücklich, als ihr eine Firma in Homburg nach 89 Bewerbungen eine Ausbildungsstelle in Teilzeit anbot. Doch ihr ehemaliger Arbeitgeber konnte mit der Behinderung ihres Sohns offensichtlich nicht umgehen. Immer wieder gab es entsprechende Bemerkungen. Die Auszubildende brach ab. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) im Saarland griff ihr dann unter die Arme und vermittelte sie an das Reisebüro.

Dessen Leiter Dirk Hoffmann war "fasziniert, dass sie während der Schwangerschaft ihr Abi gemacht hat". Baumgärtel zeigte großen Willen und Initiative. Und das erfordert das Leben zwischen Kind und Ausbildung auch. "Es ist stressig, aber wir kriegen das schon hin", sagt die Mutter. Mittwochs und freitags besucht sie die Berufsschule, an den anderen Tagen arbeitet sie. 30 Stunden in der Woche leistet sie im Reisebüro. Gerade durch die verkürzte Arbeitszeit kann Hoffmann flexibel planen: "Das Teilzeit-Modell ist nicht so starr wie die 40-Stunden-Woche." Für Hoffmann ist es die erste Erfahrung mit einer Teilzeit-Ausbildung - und sie ist positiv. "Für mich ist es ein super Modell." Hoffmann war sich zwar bewusst, dass seine Auszubildende als junge Mutter häufiger ausfallen könnte, wenn das Kind krank wird. Doch Probleme gibt es auch dann nicht. Das übrige Personal kann Fehlzeiten der Auszubildenden auffangen.

Die Beauftragte für Chancengleichheit der Agentur für Arbeit Saarbrücken, Nicole Feibel, bedauert, dass das Modell noch immer ein "Nischenprodukt" ist. Obwohl die Teilzeit-Ausbildung bereits seit 2005 möglich ist, sind 2012 nur 0,7 Prozent aller Verträge mit Teilzeit abgeschlossen worden. In der Praxis scheitere die Realisierung meist nicht an der Bereitschaft der Unternehmen, sondern daran, dass es an Berufsschulen aufgrund der geringen Teilnehmerzahl keine speziellen Teilzeitklassen gebe, sagt Feibel. Der überwiegende Teil der Teilzeitausbildungen würde auch nicht von Beginn an in Teilzeit durchgeführt: "Meist wird die Ausbildung regulär in Vollzeit begonnen und dann aufgrund einer eingetretenen Schwangerschaft in Teilzeit fortgesetzt."

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HintergrundEine Ausbildung in Teilzeit kann absolviert werden, wenn laut Berufsbildungsgesetz ein berechtigtes Interesse - wie etwa eine Schwangerschaft oder ein Pflegefall - vorliegt. Die wöchentliche Arbeitszeit kann hierbei bis auf 25 Stunden reduziert werden, ohne dass sich die gesamte Ausbildung verlängert. Die Handwerkskammer (HKW) zählt derzeit 30 Jugendliche in Teilzeitausbildungen, alle sind weiblich. Bei der saarländischen Industrie- und Handelskammer (IHK) sind es 59.pam

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