Verlockend leicht und luftig

Neunkirchen. Kunstwerke darf man in der Regel nicht anfassen. Das gilt auch für die Werke von Katharina Fischborn, die zurzeit in der Städtischen Galerie in Neunkirchen zu sehen sind. Aber zart zu pusten, dieser Verlockung könnte so mancher Betrachter erliegen

 Fischborn hat die Installation "Diaphane Bindung" aus 600 Drucklinien zusammengefügt. Im Hintergrund: der Druckstock.

Fischborn hat die Installation "Diaphane Bindung" aus 600 Drucklinien zusammengefügt. Im Hintergrund: der Druckstock.

Neunkirchen. Kunstwerke darf man in der Regel nicht anfassen. Das gilt auch für die Werke von Katharina Fischborn, die zurzeit in der Städtischen Galerie in Neunkirchen zu sehen sind. Aber zart zu pusten, dieser Verlockung könnte so mancher Betrachter erliegen. Denn man will sie in Bewegung setzen, die über hundert hauchfeinen, leuchtend bunten Seidenpapier-Drucke, die die Künstlerin mit einem Skalpell bearbeitet hat und zu immer neuen Rastern und Flächen übereinanderschichtet. Nur mit feinen Nägeln werden sie an der Wand zum großformatigen Kunstwerk "Offene Bauten" zusammengehalten, doch jedes einzelne Blatt ist ein Unikat, ein Holzschnitt. Die 64-Jährige hat erst 2006 ihre künstlerische Ausbildung an der Mainzer Gutenberg-Uni abgeschlossen. Der Erfolg als Künstlerin stellte sich rasch ein: Im gleichen Jahr erhielt sie den Stadtdrucker-Preis von Mainz.Fischborns Arbeiten sind von subtiler Transparenz und betörender Leichtigkeit. Durch die serielle Schichtung der Holzdrucke (alles Unikate) entstehen dreidimensionale Papier-Skulpturen, die in den Raum wachsen - und zum Teil eigens für ihn gemacht wurden. In der zweiten Etage der Neunkircher Galerie hat die Künstlerin einen grünen und einen grau-erdfarbenen Raum mit ihren Papierdruck-Kreationen gestaltet. Frühlingsfrisch grün in unzähligen Nuancen leuchten geschichtete Drucke durch feine Skalpellzeichnungen auf weißem Papier, die wie Deckblätter oder Schleier als oberste Schicht aufliegen. Die Schatten, die die Gitterstäbe vor den Fenstern auf die transparenten Rollos werfen, greift Fischborn in acht Rasterbildern wieder auf. Durch dieses Spiel mit Licht und Farben wirkt der Raum geradezu meditativ auf den Betrachter. "Diese farbige Transparenz zeigt Analogien zur Wirkung der Glasmalerei spätmittelalterlicher Sakralbauten", heißt es im Katalog.

Und in der Tat stellt Fischborn Bezüge zur gotischen Baukunst her, nicht zuletzt in der Titelgebung. "Diaphane Bindung" heißt eine Installation bestehend aus hunderten roten, mit dem Messer zu plastischen Streifen geschnittenen Drucklinien, die einen quaderförmigen Raum bilden. "Diaphan" als kunstgeschichtlicher Begriff bedeutet durchsichtig und wird meist verwandt, um lichtdurchflutete Kirchenräume zu beschreiben. Auch diese Installation möchte man in Bewegung setzen, will pusten, sie durchschreiten, mit den Fingern die Bänder spielen lassen.

Auf den ersten Blick wirken Katharina Fischborns Werke streng konzeptionell. Betrachtet man das Detail, verschwimmt diese Klarheit. Es sind kaum akkurate Ecken zu erkennen. Die Skalpellschnitte sind frei von Hand gesetzt, die Linien frei gezeichnet. Was so perfekt und geradlinig aussieht, erweist sich bei genauem Hinsehen als verwackelt, unscharf und damit zweideutig und mehrschichtig. Nüchtern und sinnlich zugleich ist diese Kunst. Ein spannendes Sehvergnügen.

 "Offene Bauten" besteht aus 110 Hochdruck-Unikaten auf Wenzhou-Papier. Fotos: Galerie

"Offene Bauten" besteht aus 110 Hochdruck-Unikaten auf Wenzhou-Papier. Fotos: Galerie

Bis 13. Mai. Di/Mi/Fr: 10-12.30 Uhr und 14-17 Uhr. Do: 10-12.30 Uhr und 14-18 Uhr. Sa: 14-17 Uhr. So: 14-18 Uhr.

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