Zu früh gefreut

Zürich · Mahiedine Mekhissi-Benabbad hat bei der EM in Zürich mit seinem umstrittenen „Nacktjubel“ für einen veritablen Eklat gesorgt. Dabei ist Frankreichs Hindernis-Star keineswegs zum ersten Mal negativ aufgefallen.

Welcher Teufel ihn da geritten hatte, fragte man sich im Rund des Letzigrunds. Diesen Mahiedine Mekhissi-Benabbad, als er im Siegestaumel bei der EM in Zürich jeglichen Anstand verlor, sich auf der Zielgeraden des 3000-Meter-Hindernis-Finals das Trikot vom Leib riss, halbnackt zum vermeintlichen Titel stürmte und daher disqualifiziert wurde. Die schlichte Antwort: derselbe Teufel wie schon so oft.

Sportlich ist der 29-Jährige aus Reims ein Großer: Zweimal Hindernis-Europameister, zweimal Olympiazweiter, zweimal WM-Dritter. Doch gleichzeitig ist seine Karriere geprägt von Auffälligkeiten und Aussetzern. Freunde hat Mekhissi-Benabbad in der Szene deshalb kaum, die Konkurrenz reagierte auf die Disqualifikation von Zürich entsprechend hämisch.

"Ich verhalte mich korrekt, er verhält sich dumm. Und jetzt gibt es Gerechtigkeit für dieses Verhalten", sagte der Spanier Ángel Mullera. Dessen Teamleitung hatte Einspruch gegen den Sieg des Franzosen eingelegt, Mullera erhielt deshalb Bronze. Und vermutlich gab es kaum jemanden, der Mekhissi-Benabbad den Verlust des Titels nicht gönnte.

Der entthronte Europameister bemühte sich um Beschwichtigung. "Das sollte nicht arrogant wirken", sagte Mekhissi-Benabbad, der mit seinem Shirt zwischen den Zähnen das letzte Hindernis übersprungen und dabei provozierend in Richtung Haupttribüne gestikuliert hatte: "Ich wollte jubeln wie ein Fußballer. Vor meinen Gegnern habe ich riesigen Respekt."

Die sahen das anders. Von dem Polen Krystian Zalewski, der den Spurt um Platz zwei gegen Mekhissi-Benabbads Landsmann, den späteren Europameister Yoann Kowal , verloren hatte, gab es noch im Ziel warme Worte. Es blieb beim verbalen Schlagabtausch.

Bei Mekhissi-Benabbad muss dies ausdrücklich erwähnt werden, denn solche Situationen verlaufen mitunter auch ganz anders. 2011 beim Diamond-League-Meeting in Monaco gerieten er und sein Landsmann Mehdi Baala sich im Ziel des 1500-Meter-Rennens in die Haare. Aus einer hitzigen Debatte wurde ein Faustkampf, der live in Dutzende Länder übertragen wurde. Für beide Streithähne gab es zehn Monate Sperre, 1500 Euro Geldstrafe und 50 Stunden Sozialarbeit.

Selbst Maskottchen bekamen schon was ab. "Appy" zum Beispiel, Maskottchen der EM 2012 in Helsinki, wollte Mekhissi-Benabbad nach dessen Sieg im Ziel eine Geschenk-Tüte überreichen. Der Franzose schlug den Beutel weg und stieß "Appy" um. Im Kostüm steckte ein 14-jähriges Mädchen.Den Trend zur Familie im Speerwurf-Lager will Linda Stahl nicht mitmachen. "Bis zum Olympia-Jahr 2016 mache ich keine Babypause", kündigte die 28-jährige Leverkusenerin nach EM-Bronze bei der Leichtathletik-EM in Zürich an: "Bisher habe ich immer klare Entscheidungen getroffen."

Die Auskunft zur Familien- und Karriereplanung war auch eine Anspielung auf die neue Europameisterin Barbora Spotakova, die nach der Geburt ihres Sohnes Janek nahtlos ihren nächsten Titel gewann, und Stahls nationale Rivalin Christina Obergföll. Die Weltmeisterin war nur Zuschauerin im Letzigrund-Stadion, weil sie im Juni ihren Filius Marlon zur Welt brachte.

Allerdings war Linda Stahl nicht wirklich amüsiert über dieses Thema. "Ich habe gelesen, dass seit der Schwangerschaft von Christina Obergföll das deutsche Speerwerfen keine zugkräftige Athletin mehr hat", sagte sie: "Das finde ich ziemlich unverschämt."

Gut leben konnte die Europameisterin von 2010 und Olympia-Dritte von 2012 mit Bronze, da sie in den vergangenen Monaten ihr Medizinexamen absolviert und bestanden hat. "Während des Examens habe ich gedacht: alles egal. Die EM mache ich nebenbei mal mit", sagte Stahl. "Jetzt habe ich das Examen und die Medaille. Ich finde mich gerade ganz gut." Dabei sei es egal, dass es Bronze und nicht Silber oder gar der Titel geworden ist. Die Serbin Tatjana Jelaca hatte die Weite der Deutschen von 63,91 Metern noch mit 64,21 im fünften Versuch übertrumpft. Auch erst mit dem vorletzten Wurf gelang Spotakova die Siegesweite von 64,51 Metern.

"Ich hatte schon damit gerechnet, dass die Konkurrenz noch etwas drauflegt", meinte Stahl, die ihren 63er-Wurf schon zu Beginn schaffte und als Weltjahresbeste (67,32 Meter) in das EM-Finale gegangen war. "Es hätte klappen können, hat aber nicht. Den großen Wurf hatte ich 2010. Das ist völlig in Ordnung." Die deutschen Hammerwerferinnen Betty Heidler und Kathrin Klaas haben bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in Zürich eine Medaille verpasst. Klaas kam mit 72,89 Metern auf Rang vier, Weltrekordlerin Betty Heidler (beide Frankfurt) wurde mit 72,39 nur Fünfte. Die Polin Anita Wlodarczyk verteidigte mit der Weltjahresbestweite von 78,76 Metern überlegen ihren Titel von 2012. Silber ging an Martina Hrasnova aus der Slowakei (74,66), Bronze an die Polin Joanna Fiodorow (73,67).

Weitspringer Christian Reif (Rehlingen) ist hingegen weiter auf Medaillenkurs und steht im Finale. Der 29-Jährige kam im zweiten Versuch auf 8,02 Meter und blieb damit über der geforderten direkten Qualifikations-Weite (8,00). Der Kampf um die Medaillen findet am Sonntag (15.56 Uhr/ZDF und Eurosport) statt, dann peilt Reif nach 2010 in Barcelona erneut Gold an. "Ich bin bei meinem zweiten Versuch deutlich vor dem Brett abgesprungen, trotzdem ging es über acht Meter. Das ist nicht so schlecht. Ich will im Medaillenkampf mitmischen, es wird ein harter Fight."

Nur um 28 Punkte hat Siebenkämpferin Carolin Schäfer den Sprung auf das Podest verpasst. Nach einer bravourösen Leistung und vier persönlichen Bestleistungen konnte die 22-Jährige aus Frankfurt am Freitagabend in Zürich mit 6395 Zählern und dem vierten Platz aber zufrieden sein. Titelverteidigerin Ida Nana Djimou aus Frankreich triumphierte mit 6551 Punkten. Silber holte sich Nadine Broersen aus den Niederlanden, die 6498 Zähler sammelte, vor der starken Belgierin Nafissatou Thiam (6423). Lilli Schwarzkopf aus Hannover wurde mit 6332 Punkten Fünfte, Claudia Rath (Frankfurt) landete mit 6225 Punkten auf Rang acht.

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