Wieder im Reich der Lotusblüte
Saarbrücken. Eine Legende kehrt zurück: Als vierter "Neuling" nach den Rennställen Campos, Virgin und USF1 hat das Lotus-Team für die Formel 1-Saison 2010 die Startzulassung erhalten. Mit Ex-Toyota-Pilot Jarno Trulli und dem ehemaligen McLaren-Fahrer Heikki Kovalainen greift Lotus nach 16 Jahren Pause wieder an
Saarbrücken. Eine Legende kehrt zurück: Als vierter "Neuling" nach den Rennställen Campos, Virgin und USF1 hat das Lotus-Team für die Formel 1-Saison 2010 die Startzulassung erhalten. Mit Ex-Toyota-Pilot Jarno Trulli und dem ehemaligen McLaren-Fahrer Heikki Kovalainen greift Lotus nach 16 Jahren Pause wieder an.
Trotz der Auferstehung von Lotus deutet so gut wie nichts auf den britischen Traditions-Rennstall hin, der von 1958 bis 1994 in der Formel 1 unterwegs war und mit 13 WM-Titeln und 79 Siegen in 491 Rennen für Furore sorgte. Hinter dem "neuen" Lotus-Team stehen die malaysische Regierung und ein Unternehmer-Konsortium mit Autohersteller Proton, der alle Rechte an Lotus besitzt, und die Fluglinie AirAsia. Teamchef ist Airlinebesitzer Tony Fernandes. Mit Mike Gascogne arbeitet ein alter Bekannter als Chefingenieur, der bei Jordan, Renault, Toyota und Force India über mehr als 20-jährige Erfahrung in der Formel 1 verfügt.
Befeuert werden die Lotus-Renner wie alle Neulinge mit Aggregaten der Motorenschmiede Cosworth. Beheimatet ist der Rennstall vorerst noch im britischen Norfolk, später soll der Teamsitz in die Nähe von Malaysias Formel 1-Kurs Sepang verlagert werden. Ein Ziel hat sich der Rennstall schon vor der ersten Ausfahrt gesetzt: zur Saisonmitte das beste der vier neuen Rennställe zu sein. Nach der Premiere-Saison soll Lotus in den Top Zehn auftauchen.
Beim Namen Lotus schwingt Formel 1-Historie mit. Neben Ferrari verkörpert kaum ein Rennstall so viel Mythos und Tradition. Gründer von Lotus war Teamchef Colin Chapman, der 1982 mit nur 54 Jahren einem Herzinfarkt erlag. Der Mann mit der schwarzen Mütze war der wohl genialste, aber auch der umstrittenste Konstrukteur und Teamchef in 60 Jahren Formel 1-Geschichte. Chapman war berüchtigt dafür, dass er seine Autos so leicht wie möglich baute - stets an der Grenze des Materials. Und er ordnete alles der immer höheren Geschwindigkeit unter. In den 60er Jahren revolutionierte er die Königsklasse mit der Monocoque-Bauweise.
Nicht immer behagten die Neuerfindungen seinen Piloten. Graham Hill brachte es einmal auf den Punkt: "Wenn dich dein eigenes Hinterrad überholt, weißt du, dass du in einem Lotus sitzt." Jochen Rindt ging noch weiter: "In einem Lotus kommt man um oder man wird Weltmeister." Für den Mainzer mit österreichischer Rennlizenz traf 1970 auf tragische Weise beides zu. Nach seinem tödlichen Unfall am 5. September 1970 im Training zum Italien-Grand Prix in Monza wurde Rindt posthum Weltmeister.
Jim Clark (1963, 1965), Hill (1968), Emerson Fittipaldi (1972) und Mario Andretti (1978) wurden ebenfalls in einem Lotus Weltmeister. Lotus-Autos gewannen sechs Mal die Fahrer- und sieben Mal die Konstrukteurs-WM. Ayrton Senna fuhr 1987 in Monaco und in Detroit in einem Lotus-Honda die beiden letzten der insgesamt 79 Grand-Prix-Siege im Reich der Lotusblüten heraus.
Nach dem Tod von Colin Chapman begann der Abstieg des Teams, das von Machtkämpfen und Geldmangel geplagt wurde. Was Geld betrifft, war Chapman einfallsreich. Als der Weltverband Fia 1968 die "branchenfremde Werbung" erlaubte, war Chapman der Erste, der ein Zigaretten-Sponsorlogo aufs Auto klebte.
Beim Australien-Grand Prix 1994 versumpfte nach 491 Rennen endgültig die letzte Lotusblüte, ehe sie jetzt wieder begossen wird. Aber: Ein Lotus-Team ohne den legendären Teamchef Colin Chapman wird nie den Charakter des früheren Lotus-Teams besitzen.