Playoffstart in der Ringer-Bundesliga Ein Geisterkampf mit vielen Unbekannten

Witten · Keine Zuschauer beim Achtelfinal-Hinkampf der deutschen Ringer-Meisterschaft zwischen dem KSV Witten und dem KSV Köllerbach. Droht Saisonende?

 Köllerbachs Vereinschef Hilmar Rehlinger sieht die aktuelle Situation der Bundesliga mit Sorge.

Köllerbachs Vereinschef Hilmar Rehlinger sieht die aktuelle Situation der Bundesliga mit Sorge.

Foto: Andreas Schlichter

Der Hinkampf im Achtelfinale um die deutsche Ringer-Mannschaftsmeisterschaft zwischen dem KSV Witten und dem KSV Köllerbach findet an diesem Samstag um 19.30 Uhr in der leeren Wittener Husemann-Halle statt. „Überregionale Großveranstaltungen müssen definitiv ohne Zuschauer stattfinden. Als Bundesligist und Teilnehmer aus Nordrhein-Westfalen zählen wir damit unweigerlich in diesen Kreis“, erklärt Wittens Vorsitzender Thomas Altstadt, der am Montagabend über den eigenen Landessportverband vom endgültigem Zuschauerausschluss erfuhr: „Wir hatten bis zuletzt noch auf wenigstens 300 bis 400 Zuschauer gehofft.“

Für alle ausgesperrten Fans steht ein kostenpflichtiger Livestream auf Sportdeutschland.tv zur Verfügung. Die 10 Euro müsste man aber auch für den Eintritt in die Halle hinlegen, spart dafür aber die Reise in den Pott – so wie der Fanclub des KSV, der eine Freundschaft mit den Anhängern der Westfalen pflegt, den bereits ausgebuchten Bus aber nun absagen musste.

„Es gibt Sportler, die reagieren stark auf das Publikum, andere lässt das Drumherum kalt“, sagt Köllerbachs Mannschaftsverantwortlicher Thomas Geid, „ich kann mir Ringen ohne Zuschauer noch nicht vorstellen.“ Denn einen „Geisterkampf“ gab es so noch nie in der Geschichte des saarländischen Ringkampfsports. Die Premiere, die keiner wollte, verursacht bei den Köllerbachern auch sportlich Kopfzerbrechen. Wird Witten die Einnahmeverluste durch den Zuschauerausschluss kompensieren, indem man auf den Einsatz von starken ausländischen Sportlern verzichtet? Oder stehen sie mit „voller Kapelle“ und wollen trotz Stimmungsnachteil den Favoriten ärgern?

„Wir haben eine junge Truppe, darum ist das Kostengefälle überschaubar. Wir werden sicher nicht mit der zweiten Mannschaft ringen“, sagt Altstadt. „Wir müssen unsere Mannschaft stellen. Dazu gehört, dass man die Flüge für die ausländischen Athleten buchen muss“, sagt Hilmar Rehlinger, der Vorsitzende des KSV Köllerbach, „die bekommt man nicht von heute auf morgen.“

Einen Flieger aus Istanbul bekommen müsste beispielsweise Kerem Kamal. Der Neuzugang für die Klasse bis 61 Kilo griechisch-römisch lebt und trainiert in der türkischen Hauptstadt. Er zieht eine positive Bilanz seiner bisherigen Kämpfe. „Ich wollte ja schon immer in der Bundesliga ringen, darum war ich bei der Anfrage aus Köllerbach sofort Feuer und Flamme“, sagt der mittlerweile 23-jährige Weltklasseathlet, der bei der Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio seinen heutigen Mannschaftskollegen Etienne Kinsinger besiegen konnte: „Ich dachte nur, wie stark muss diese Mannschaft sein, wenn sie Etienne und mich aufbieten können.“

Ein weiteres Beispiel, wie stark der KSV gerade in den unteren Gewichtsklassen steht, ist Horst Lehr. Der 22-jährige Ludwigshafener war im Oktober mit einer Bronzemedaille von den Weltmeisterschaften in Oslo zurückgekehrt. In der Klasse bis 57 Kilo ist der Freistilspezialist eine echte Bank. „Wir werden keine Experimente machen“, sagt Geid, „es geht darum, sich eine gute Ausgangsbasis zu verschaffen.“

Am 15. Januar soll der Rückkampf in der Kyllberghalle stattfinden. „Noch sieht es so aus, als könnten wir unter der 2G+-Regel mit Zuschauern ringen. Aber wir müssen abwarten, was dann gilt“, sagt Rehlinger mit Blick nach vorne: „Wir werden das Achtelfinale auch ohne Zuschauer ringen. Wie es weitergeht, kann ich nicht sagen.“ Die bayrischen Vereine ringen schon seit Wochen ohne Zuschauer. Der ASV Urloffen – die einzige Mannschaft, die Köllerbach in der Vorrunde besiegen konnte – hat seinen Achtelfinalhinkampf bei Ostvertreter Rotation Greiz wegen Personalmangels „aufgrund von Verletzungen, Erkrankungen und internationalen Trainingslagern“ bereits abgesagt. „Wir müssen die Entwicklung genau im Auge behalten“, sagt Rehlinger, der wegen der laufenden Kosten und der unsicheren Einnahmesituation ein Ende mit Schrecken nicht mehr ausschließen will: „Vielleicht muss der neue Vorstand des Deutschen Ringer-Bundes irgendwann eine Entscheidung treffen, das Ganze abzubrechen.“

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