Manipulation im Handball: 4000 Spiele werden überprüft

Leipzig/Kopenhagen. Am Tag, als die Korruptions-Krise die Ebene der Weltmeisterschaft erreichte, ging die Europäische Handball-Föderation (EHF) in die Offensive. Nicht einmal 24 Stunden nach dem Deutschen Handballbund (DHB) leitete auch Europas Dachverband die Suche nach versuchter Bestechung von Schiedsrichtern ein

Leipzig/Kopenhagen. Am Tag, als die Korruptions-Krise die Ebene der Weltmeisterschaft erreichte, ging die Europäische Handball-Föderation (EHF) in die Offensive. Nicht einmal 24 Stunden nach dem Deutschen Handballbund (DHB) leitete auch Europas Dachverband die Suche nach versuchter Bestechung von Schiedsrichtern ein. Gestern verschickte der Verband an alle Unparteiischen und Delegierten aus den vergangenen vier Jahren Fragebögen. "Wir gehen an die Basis. Das sind fünf Fragen, in denen wir um präzise Aufklärung bitten, was den Einzelnen begegnet ist. Das machen wir in Rasterform und werden es dann verfeinern", sagte EHF-Generalsekretär Michael Wiederer. Zuvor war der erste Bestechungsversuch außerhalb des Europacups bekannt geworden. Ein Sprecher des dänischen Verbandes DHF bestätigte, dass die Spitzen-Schiedsrichter Martin Gjeding und Mads Hansen im Sommer 2008 eine versuchte Bestechung vor dem Weltmeisterschafts-Qualifikationsspiel Rumänien gegen Montenegro gemeldet hatten. Sie hätten sich an den zuständigen Ausschuss gewandt, die Verbandsspitze sei laut Präsident Per Rasmussen jedoch erst jetzt, neun Monate nach dem Vorfall, informiert worden. "Es ist unhaltbar, dass wir erst jetzt informiert worden sind", sagte Rasmussen. Den dänischen Unparteiischen wurden nach eigenen Angaben im Juni 2008 je 30 000 Euro in einem Koffer geboten, um den Rumänen zu einem Sieg zu verhelfen. Sie hätten dies abgelehnt. "Ich kann dazu noch keine Stellungnahme abgeben", sagte Wiederer. Nach Aussage des EHF-Generalsekretärs werden nun aber anhand der Fragebögen etwa 4000 Spiele überprüft, an denen 300 Schiedsrichter und 150 Delegierte beteiligt waren: "Vier Jahre haben wir deshalb gewählt, um auch das besagte Spiel von Lemme/Ullrich erfassen zu können." Die vom Spielbetrieb suspendierten Magdeburger Schiedsrichter Frank Lemme und Bernd Ullrich hatten einen Bestechungsversuch vor dem Final-Rückspiel im Europacup der Pokalsieger zwischen Medwedi Tschechow und BM Valladolid im April 2006 verschwiegen. Am Folgetag waren bei der Ausreise vom russischen Zoll 50 000 Dollar in Ullrichs Gepäck gefunden worden. Beide bestreiten, das Geld genommen und Spiele manipuliert zu haben. Am Montagabend hatte der DHB Lemme und Ullrich suspendiert und einen Maßnahmenkatalog beschlossen. Dazu gehört auch die Befragung aller Schiedsrichter, die in den vergangenen drei Jahren aktiv gewesen sind. Zudem wird ein Sachverständigen-Gremium unter anderem mit Männer-Bundestrainer Heiner Brand und seinem ehemaligen Frauen-Kollegen Armin Emrich eingesetzt, das von auffälligen Spielen unabhängige Analysen vornehmen soll. Bei Beschwerden von Clubs würden Analysten eingesetzt, die beurteilen würden, ob Schiedsrichter einfach nur schlecht waren oder tendenziös gepfiffen hätten. Derweil können die Verantwortlichen beim THW Kiel vorerst aufatmen. Ein Bericht der EHF zur Analyse des gewonnenen Final-Rückspiels in der Champions League 2007 gegen Flensburg-Handewitt entlastete den THW vom Verdacht der Manipulation, weil keine Anhaltspunkte gefunden wurden. dpa

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