Erst Williams, dann Scharapowa

Melbourne. Die Spötter waren gleich zur Stelle. Kaum hatte Andrea Petkovic am späten Freitagabend die fast verwaiste Spielerlounge im Melbourne Park betreten, rief ihr ein männlicher Kollege zu: "Solide Leistung, Andrea. Souverän gemacht." Doch zum Lachen war in der Nacht des fünften Australian Open-Tages so recht niemandem zumute

Melbourne. Die Spötter waren gleich zur Stelle. Kaum hatte Andrea Petkovic am späten Freitagabend die fast verwaiste Spielerlounge im Melbourne Park betreten, rief ihr ein männlicher Kollege zu: "Solide Leistung, Andrea. Souverän gemacht." Doch zum Lachen war in der Nacht des fünften Australian Open-Tages so recht niemandem zumute. Nach einem Spiel, das zu Ende war, bevor es überhaupt begonnen hatte. Und nach einem Sieg von Petkovic, der kein Sieg war, sondern eine Farce für die Fans und die Veranstalter der Australian Open."Schön war das alles nicht", sagte Petkovic, nachdem Venus Williams nach nur sieben Ballwechseln beim 0:1, 0:30-Rückstand zum Schiedsrichterstuhl geschritten war und ihre Aufgabe wegen Hüftproblemen mitgeteilt hatte. Unter lautstarken Pfiffen und Buh-Rufen verschwand die dick bandagierte Amerikanerin sodann aus der Rod Laver-Arena - abgesagt und ausgefallen war damit der Höhepunkt der Abendgala auf dem Centre Court.

Wie schon vor gut vier Monaten bei den US Open blieb Petkovic als letzte Interessenwahrerin der deutschen Tennisabordnung im großen Grand Slam-Spiel übrig - dort wie nun auch in Melbourne nach dem Rückzug einer angeschlagenen Kollegin. Im "Big Apple" hatte die Chinesin Shuai Peng allerdings schon vor der Drittrundenpartie das Handtuch geworfen - und damit den Turniermachern die Chance gegeben, den Spielplan zu ändern. In Melbourne schlich Frontfrau Petkovic am Ende genau so betreten von dannen wie die Kulisse, der eine prickelnde Spätvorstellung abhanden gekommen war. "Das tut echt weh. Ich hatte mich auf ein geiles Match gefreut", sagte die Deutsche.

Nun durfte Petkovic, zum zweiten Mal in der zweiten Woche eines Grand-Slam-Turniers angelangt, das in Angriff nehmen, was ihre Landsfrau und Freundin Julia Görges am Nachmittag um Haaresbreite verpasst hatte: den Sturz von Superstar Maria Scharapowa. 4:6, 6:4 und 6:4 hatte die Russin den dramatischen Zweikampf gegen die Deutsche gewonnen, die das Spiel ihres Lebens lieferte, aber doch nicht ans Ziel aller Wünsche gelangte. "Die Jule hat Scharapowa richtig warm gespielt, ich bin echt sauer", meinte die sauer grinsende Petkovic, die wohl am Sonntag zu einem wahren Centre-Court-Auftritt gegen "Maria, die Große" kommt.

Vier Stunden vor dem denkwürdigen Sieg Petkovics war DTB-Sportdirektor Klaus Eberhard schwer vergrätzt in die Katakomben der Rod Laver-Arena gestürmt, fast wütend darüber, wie unglücklich Görges das deutsch-deutsche Achtelfinalduell mit Petkovic verpasst hatte: "Das war so saumäßig eng. Julia war eigentlich immer auf Augenhöhe mit Scharapowa", sagte Eberhard, "aber Mut machen muss das trotzdem für die Zukunft". Unglaublich gut habe sich Görges präsentiert, befand auch Fed Cup-Chefin Rittner, "wenn sich hier jemand nach einer Niederlage nichts vorzuwerfen hat, dann sie".

Tatsächlich wirkte die Bad Oldesloerin im wichtigsten Spiel ihrer Karriere so zupackend und couragiert wie nie. "Die Angst vor großen Namen habe ich mir aus dem Kopf rausgespielt", sagte Görges später, "ich muss mich vor niemandem mehr verstecken." Auch nicht mehr vor einer wie Scharapowa, die alle Kräfte mobilisieren musste. "Von Julia wird man noch eine Menge Gutes hören", sagte die russische Grazie, die mit einem letzten spitzen Aufschrei der Erleichterung ihren Sieg untermalt hatte.

Bei Görges imponierte die Furchtlosigkeit, die Courage, der echte Biss, es auch den Großen der Branche zeigen zu wollen. "Ihr Charakter hat sich ziemlich verändert in letzter Zeit", sagte ihr Trainer Sascha Nensel, "so hat sie sich eben auch an die Stärksten der Branche rangearbeitet". Selbst nach einem schnellen 0:4-Rückstand gegen die Russin im dritten Satz steckte Görges nicht auf, fügte sich nicht in die Niederlage. Auf 3:4 und 4:5 verkürzte sie mit einem Feuerwerk von Siegschlägen, keinesfalls gewillt, irgendwelche Geschenke zu verteilen. "Ich kann mich heute abend gut im Spiegel anschauen", sagte Görges später, als sie im Hotel angekommen war, "ich weiß: Bald ist ein Sieg gegen so eine wie Maria fällig."

Auf Einen Blick

Der Schweizer Roger Federer brauchte gerade einmal 105 Minuten, um den Belgier Xavier Malisse mit 6:3, 6:3, 6:1 zu schlagen. Der Weltranglisten-Zweite trifft nun im Achtelfinale auf den Spanier Tommy Robredo. In der Runde der letzten 16 stehen auch Novak Djokovic (Serbien), der Tscheche Tomas Berdych und der Amerikaner Andy Roddick. Bei den Frauen siegte die dänische Weltranglisten-Erste Caroline Wozniacki mit 6:4, 6:3 gegen die Slowakin Dominika Cibulkova. Das Aus kam für Vorjahresfinalistin Justine Henin (Belgien) gegen die Russin Swetlana Kusnezowa mit 4:6, 6:7 (8:10). dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort