Ein Luxemburger bei der EM

Saarbrücken · Luc Holtz (43) ist seit zwei Jahren der Nationaltrainer von Luxemburg. Obwohl der gebürtige Luxemburger sein Land wohl nie bei einer Fußball-WM oder -EM erleben wird, hat er sich in Polen und der Ukraine Gruppenspiele angesehen. Seine Erfahrungen und Einschätzungen erklärt er SZ-Mitarbeiter Frank Hellmann.

Was macht der Nationaltrainer von Luxemburg bei der EM?Luc Holtz: Das ist ganz einfach: Ich habe mir die Spiele Polen gegen Russland in Warschau und dann Niederlande gegen Portugal in Charkow angesehen. Wir spielen in der WM-Qualifikation bald gegen Russland und Portugal, und im Stadion sieht ein Trainer einfach Dinge, die er am TV nicht sehen kann.

Zum Beispiel?

Holtz: Das TV-Bild bietet nur einen begrenzten Ausschnitt mit dem Ball - das mannschaftstaktische Verhalten in Defensive und Offensive kann ich nur im Stadion beobachten. Da haben mich beide Partien enorm beeindruckt. Ich habe noch nie eine Mannschaft gesehen, die so schnell wie die Russen umschaltet. Schwer zu verstehen, dass sie gegen Griechenland ausscheiden. Und die Portugiesen waren gegen die Niederlande auch stark.

Sie treffen gleich zum Start der WM-Qualifikation am 7. September auf Portugal . . .

Holtz: Das haben wir absichtlich so gelegt. Wir haben natürlich die Hoffnung, dass die Portugiesen lange im Turnier bleiben und dann noch ein bisschen müde im Kopf sind, wenn sie bei uns antreten. Meine Spieler können es dagegen kaum erwarten - das wird das Spiel des Jahres bei uns, unser kleines Josy-Barthel-Stadion wird mit 9000 Zuschauern ausverkauft sein.

Wissen Sie jetzt, wie Cristiano Ronaldo zu stoppen ist?

Holtz: Bei Portugal laufen 90 Prozent der offensiven Aktionen über ihn. Seine Klasse kennt jeder. Man muss aber auch bedenken, dass sein Defensivverhalten nicht optimal ist und der linke Verteidiger oft allein gelassen wird.

Was nehmen Sie als wichtigste Erkenntnis mit?

Holtz: Das hohe Tempo und die enorme Fitness der Spieler - wer nicht fit ist, kann die Qualität nicht halten. Das ist natürlich etwas anderes als bei mir. Wissen Sie, ich bin zwar hauptberuflich beim Verband angestellt, aber ich trainiere fast nur Amateure, wir haben nur zwei Profis im Team. Das Niveau in der luxemburgischen Liga ist nicht hoch, die ersten drei Mannschaften könnten vielleicht in Deutschland mit der Regionalliga mithalten. Wenn wir jetzt in einer Qualifikationsgruppe mit Portugal, Russland, Nordirland oder Israel antreten, sind wir jedes Mal Außenseiter. Aber Aserbaidschan ist auf jeden Fall unsere Kragenweite.

Sind Sie eigentlich neidisch auf Kollegen großer Nationen wie Joachim Löw, die ganz andere Möglichkeiten haben?

Holtz: Nein, eigentlich nicht. Wir versuchen gerade, die Strukturen zu verbessern, indem ich mit dem deutschen Trainer Reinhold Breu einen habe, der sich um die Nachwuchsförderung kümmert. Ich habe ja selbst lange in der Nationalelf von Luxemburg gespielt, ich kann mich noch genau daran erinnern, wie unsere Mannschaft mal 22 Jahre in Folge kein Spiel gewonnen hatte. Als es dann 1995 den ersten Sieg auf Malta gab, war die Psychose geheilt. Unter meiner Leitung haben wir seit 2011 gegen Mazedonien, Albanien und die Slowakei gewonnen. Und gegen Frankreich haben wir in der EM-Qualifikation zwei Mal nur 0:2 verloren. Das fand ich beachtlich. Für Luxemburg.

Und jetzt wollen Sie sich für eine WM oder EM qualifizieren? Bei der EM 2016 nehmen immerhin schon 24 Mannschaften teil.

Holtz: Die Qualifikation ist trotzdem auf keinen Fall realistisch. Dann müsste die Uefa noch mehr Teilnehmer zulassen, das wird nicht passieren. Unser Ziel ist es, in der WM-Quali fünf Punkte zu holen.

Was glauben Sie denn, wer wird am 1. Juli in Kiew zum Europameister gekürt?

Holtz: Deutschland.

Warum?

Holtz: Weil sie hungriger als die Spanier sind.

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