Pferdesport Ein Knochen-Job und Traumberuf zugleich

Saarbrücken · Jockey Maxim Pecheur ist Lokalmatador und Star des Renntags in Güdingen. Zuletzt hat er das 148. Deutsche Derby gewonnen.

Einen Cognac und einen Mini-Schokomuffin. Das gönnt sich Maxim Pecheur an diesem Tag. Wenn er schon in der Saarbrücker Heimat ist, stößt er mit der Familie an. Auf den Derby-Sieg vor wenigen Wochen in Hamburg. Den bisher größten Erfolg seiner Karriere. Während Pecheur noch auf dem Pferd saß, lief sein Handy schon heiß. „Direkt nach dem Rennen hatte ich über 300 Nachrichten“, erzählt er. Anrufe, SMS, per Facebook oder persönlich. Von überall prasselten die Glückwünsche auf ihn ein. Dabei war sein Sieg im Vorfeld alles andere als sicher. Sein Pferd Windstoß stürzte zwei Wochen vor dem Derby. Prellungen setzten ihm zu. Doch schon eine Woche nach dem Unfall galoppierte es wieder. Pecheur hatte vor dem Rennen ein gutes Gefühl. Es täuschte ihn nicht.

Eine Nummer kleiner geht es beim nächsten Renntag am kommenden Dienstag, 15. August, auf der Güdinger Bahn zu. Dem Saison-Höhepunkt des Rennclubs Saarbrücken. Lokalmatador Pecheur geht in seiner Heimat an den Start. Er hofft, dass er an seinen Derby-Erfolg anknüpfen kann. Dann gönnt er sich vielleicht noch mal ein Gläschen.

Die Köstlichkeiten des Lebens – für den 26-Jährigen sind es weder Alkohol noch Süßigkeiten. Heute macht er eine Ausnahme. Zwischen 52 und 60 Kilogramm darf ein Jockey wiegen. Das ist harte Arbeit. Disziplin. Verzicht. Der große Armlehnensessel in der Hotellobby schluckt den zierlichen Reiter. Kaum größer als 1,60 Meter ist er. Perfekt für einen Jockey. Doch dafür zahlt er seinen Preis. Nur am Abend isst er. Dann kocht er gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Fisch, Fleisch und Gemüse, wenig Kohlenhy­drate.

Das ist dann eine Ruhepause für Pecheur. Zeit zum Abschalten. „Man darf aber nicht nur verzichten, dann ist das Leben nicht mehr lebenswert“, sagt er. Vor jedem Rennen müssen die Reiter auf die Waage. Zwei bis drei Liter Schweiß versuchen viele noch vor dem Rennen zu verlieren, um das Gewicht zu reduzieren, erzählt Pecheur. Wie man das schafft? Langes Ausharren in der Sauna. Einpacken in warme Kleidung. „Das ist schon sehr hart, aber wenn man den Job ausüben möchte, gehört Härte einfach dazu“, sagt er.

Härte braucht Maxim Pecheur vor allem im Winter. Auch bei zweistelligen Minustemperaturen gehen die Reiter in leichter Bekleidung auf die Rennbahn. Nur ein Kilogramm darf die Ausrüstung des Reiters samt Sattel wiegen. „Das ist fast wie Nackt­reiten“, sagt er. Aber so ist eben sein Job. Für den brennt er. Für den lebt er. Das Risiko reitet immer mit. Wenn die bis zu 500 Kilogramm schweren Pferde mit 60 Kilometern pro Stunde über den Boden donnern. Unter ihrer Kleidung tragen die Reiter Sicherheitswesten, die das Gröbste abfangen sollen. „Für alles andere muss man beten“, erzählt Pecheur.

Ein angebrochenes Schulterblatt, ein gebrochenes Handgelenk, ein zertrümmertes Schlüsselbein – bei seinen bisherigen Unfällen habe er immer Glück gehabt. Aber Pferde seien Tiere und damit unberechenbar. „Auch sie haben mal einen schlechten Tag, dann muss man gucken, dass man gut aus der Affäre kommt“, sagt Pecheur. Ein gesunder Respekt sei wichtig. Oft sehe er die Pferde kurz vor dem Rennen zum ersten Mal. Weit über 1000 verschiedene Pferde hat er mittlerweile geritten. „Irgendwann kann man die Pferde relativ schnell in verschiedene Kategorien einordnen.“ Ruhig. Gelassen. Nervös. Gestresst. Ängstlich. Vieles sei Erfahrungs- und Gefühlssache.

Einfühlungsvermögen – das sei nicht die einzige Eigenschaft, die ein Jockey neben Disziplin und Athletik mitbringen müsse. „Ein Jockey muss auch gepflegt sein, sich ausdrücken können“, erzählt Pecheur. Denn er sitzt nicht nur den ganzen Tag auf dem Pferd. Er muss sich auch selbst um seine Kunden kümmern. Das sind in der Regel Pferdebesitzer. Diese können ihn buchen, damit er ihre Pferde bei bestimmten Rennen reitet. Einen Manager haben die Jockeys nicht. Sie kümmern sich um alles selbst. Angefangen haben sie alle mal mit einer dreijährigen Ausbildung zum Pferdewirt mit dem Schwerpunkt Rennreiten.

Pecheur begann damit direkt nach seinem Abitur. Werner Schmeer vom Rennclub Saarbrücken vermittelte Pecheur zu dem damaligen Champion-Trainer Christian von der Recke nach Köln. Eine Zwischenstation legte er in Baden-Baden ein. Heute lebt er in Köln und arbeitet auf dem Gestüt Röttgen, „einer Institution im Pferde­sport“, wie Pecheur selbst sagt. Dort fühlt er sich wohl. Dort will er, solange es geht, bleiben.

Um 4.40 Uhr am Morgen klingelt Pecheurs Wecker. Um 5.30 Uhr ist das erste Pferd gesattelt. Und er reitet los. Fünf Pferde am Tag, jeweils eine bis eineinhalb Stunden. Dazwischen Pflege, Stall ausmisten. Wenn Pecheur nicht gerade am Gestüt ist, ist er bei Rennen in ganz Deutschland und manchmal auch über die Landesgrenze hinaus unterwegs. Über 1000 Kilometer am Tag im Auto – das ist keine Seltenheit für ihn. „Ich wollte das als Profi machen – ganz oder gar nicht“, sagt Pecheur. Auch wenn nicht immer viel materieller Gewinn übrig bleibt. Gerade einmal 4,75 Prozent des Preisgeldes bekommt der Reiter bei Siegen, erklärt Pecheur. Plus eine Summe als Antrittsprämie. Bei einem durchschnittlichen Rennen in Deutschland mit 3000 Euro Preisgeld erhält der Reiter, wenn er gewinnt, also 250 Euro, sagt Pecheur.

Für den großen Derby-Sieg gab es mehr. Mit 650 000 Euro war das Rennen auf der Galopprennbahn in Hamburg dotiert. Eine andere Preisklasse als sonst – mit 30 000 Euro ging Pecheur nach Hause.

Erfolge machen sich bezahlt. Aber oft ist es ein hartes Geschäft. Doch Pecheur liebt es. Noch weitere große Rennen in Deutschland will er gewinnen. Dabei weiß Pecheur, dass er eine Sache nicht vergessen darf: auch mal runterzukommen. Sich nicht ständig dem Druck auszusetzen, immer nur da zu sein und gewinnen zu müssen. Doch die Jockeys werden immer an ihrem letzten Sieg gemessen, sagt er. „Solange man gewinnt, ist man der Held. Wenn man nicht gewinnt, ist man gar nichts.“

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